DR. KÖNIG & COLL.

RECHTSANWÄLTE


Abhandlung zum EDV-Recht

Verträge über Softwareüberlassung (Sachlich sehen)

von RA Dr. M. Michael König

Die offenkundig 'greifbaren' Teile von Computeranlagen, die Hardware, bereiten dem Juristen keine besonderen Schwierigkeiten. Auf die Behandlung von Computerprogrammen ist unser Recht von vornherein leider nicht eingerichtet. So zwickt und klemmt es an allen Ecken, wenn im Zusammenhang mit der Überlassung von Computerprogrammen Streitigkeiten entstehen

Die juristische Fachwelt hat nicht nur bei der Frage des Schutzes und der Schutzfähigkeit von Computerprogrammen Probleme, sondern auch in steuerrechtlicher, zivilprozessualer und allgemein-zivilrechtlicher Hinsicht. Die zivilrechtliche Bewertung und Einordnung von Verträgen, welche die Überlassung von Computerprogrammen zum Gegenstand haben, beschäftigen die Gerichte immer wieder. Dazu kommen die Probleme, die sich aus der Gewährleistung ergeben, also der Verpflichtung das Lieferanten, für Fehler der Programme einzustehen.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bietet Regelungen mehrerer Vertragstypen zur Überlassung von Gegenständen an. An entgeltlichen Verträgen sind zu nennen: Kauf (§ 433ff. BGB), Miete (§ 535ff. BGB), Pacht (§ 581ff.BGB) und schließlich der Werkvertrag (§ 631 ff. BGB). Kauf bedeutet die dauernde Überlassung eines Gegenstandes sowie Übertragung des Eigentums gegen einmaliges Entgelt. Miete bezeichnet die zeitlich begrenzte Überlassung einer Sache zur Benutzung gegen Zahlung eines entsprechenden Zinses. Der Pachtvertrag berechtigt den Pächter darüber hinaus zur 'Fruchtziehung' und ist auch bei Rechten, zum Beispiel Forderungen, möglich. Durch einen Werkvertrag verpflichtet sich der Auftragnehmer zur Herstellung und gegebenenfalls Überlassung eines Werkes, wobei das Werk sowohl 'körperlich' als auch 'unkörperlich' sein kann. Für jeden Vertragstyp sieht das BGB bestimmte Gewährleistungsregeln vor.

Beim Werkvertrag zeigt sich die Rechtslage klar. Juristen sind sich einig darüber, daß die Herstellung von Individualprogrammen sowie die Änderung oder Anpassung von Standardprogrammen auf Grundlage eines Werkvertrages erfolgt. Danach muß der Hersteller für Mängel des Werkes, also Programmfehler, dergestalt einstehen, daß er zunächst grundsätzlich zur Nachbesserung, also Beseitigung der Fehler, verpflichtet ist (§ 633 BGB). Scheitert dies, ist dies für ihn unzumutbar oder verweigert er die Nachbesserung, so kann der Besteller nach seiner Wahl Minderung - Herabsetzung der vereinbarten Vergütung - oder Wandelung - Rückgängigmachung des Vertrages - verlangen (§ 634 BGB), bei Verschulden des Herstellers auch Schadenersatz (§ 635 BGB). Kommt der Hersteller mit seiner Nachbesserungspflicht in Verzug, darf der Besteller auf Kosten des Herstellers selbst nachbessern (§ 633 BGB).

Standardprogramme

Im Gegensatz zu dieser klaren Rechtslage ist die Behandlung von Standardprogrammen zweifelhaft. Dies beginnt schon bei der Beurteilung des Wesens von Computerprogrammen, nämlich, ob diese einen körperlichen Gegenstand, also eine Sache im Sinne des § 90 BGB, oder ein immaterielles Gut darstellen. Diese Unterscheidung ist durchaus von Bedeutung, da die Gewährleistungsregeln des Kauf- und Mietrechts unmittelbar nur auf Sachen anwendbar sind, eine nur entsprechende Anwendung auf Nichtsachen hingegen eingehende Prüfungen voraussetzt und keine sicheren Feststellungen erlaubt.

Ohne auf den hier bestehenden Streit im einzelnen eingehen zu wollen, läßt sich feststellen, daß anfangs die überwiegende Auffassung Computerprogramme als immaterielle Güter begriff. Diese Meinung wurde verständlicherweise von der Software-Industrie gefördert, da über diesen Weg eine Gängelung des Anwenders sowie eine Einschränkung der Gewährleistungsverpflichtung möglich erscheint. Die gegenteilige und zunehmend an Bedeutung gewinnende Auffassung sieht Computerprogramme als Sachen oder zumindest den Sachen stark angenähert an. Dieser Auffassung hat sich in der letzten Zeit im Ergebnis auch der Bundesgerichtshof angeschlossen[1].

Aus technischer Sicht läßt sich die Plausibilität dieser Auffassung nur schwer widerlegen. Programme müssen nämlich zwangsläufig 'körperlich' existieren, da sie ansonsten ihre Aufgabe, die Steuerung des Rechners, nicht erfüllen können. Für einen Techniker ist offensichtlich, daß sich Computerprogramme auch als herkömmliche Digitalschaltungen darstellen lassen; ROMs, PROMs, EPROMs bestehen nur aus einer miniaturisierten Anordnung einer Vielzahl von Gattern, aus deren konkreten Verbindungen sich das Programm ergibt.

Der von Programmierern angeführte Verweis auf die besondere Bedeutung der geistigen Entwicklungsarbeit vermag kein überzeugendes Gegenargument zu liefern, wenn man sich vor Augen hält, daß ja auch jeder Entwickler einer elektronischen Schaltung in erheblichem Umfang auf geistigem Gebiet arbeitet. Die Realisierung seiner Entwicklung durch 'Lötknechte' ist dagegen eine untergeordnete Tätigkeit.

Meinungsstreit

Einige verneinen die Sacheigenschaft von Computerprogrammen, indem sie den Überlassungsvertrag als einen - gesetzlich nicht geregelten - Lizenzvertrag bezeichnen, weil ähnlich wie bei der Verwertung eines Know-how, einer Erfindung oder eines urheberrechtlich oder patentrechtlich geschützten Werkes eine Vereinbarung geschlossen wird. Andere wiederum bewerten die Software-Überlassung als Kauf oder Pacht eines immateriellen Guts und wollen die Gewährleistungsrechte des Sachkaufs und der Miete eingeschränkt entsprechend anwenden. Demgegenüber gehen die Vertreter der Gegenmeinung von der unmittelbaren Anwendbarkeit der kauf-, miet- und pachtvertraglichen Vorschriften aus, je nachdem, welchem Vertragstyp die getroffene Vereinbarung entspricht.

Die bei PC-Programmen die Regel darstellende dauerhafte Überlassung des Programms gegen einmaliges Entgelt ist danach als Kauf zu werten, während die seltenere vorübergehendc Überlassung zur Benutzung als Miete zu qualifizieren ist. Pachtverträge zwischen Händler oder Hersteller und Anwender sind mir bislang nicht bekannt geworden.

Die Software-Lizenz in der Form des Schutzhüllenvertrages

"Bevor Sie dieses Siegel aufbrechen, lesen Sie den Lizenzvertrag. Mit Öffnen der Packung erkennen Sie den Lizenzvertrag an."

entspringt US-Recht. Bislang hat lediglich das Oberlandesgericht Stuttgart die Schutzhüllenverträge für zulässig erklärt - unter der Voraussetzung, daß die Vertragsbestimmungen vor dem Öffnen der Verpackung ohne Aufwand gelesen werden können. Auf jeden Fall kann man klar sagen, daß sich seine Bestimmungen am AGB-Gesetz messen lassen müssen. Viele abenteuerliche Forderungen stellen unwirksame Allgemeine Geschäftsbestimmungen dar. Ein wunder Punkt offenbart sich wiederum in der Urheberrechtsfähigkeit eines Programms, von der die Hersteller stillschweigend ausgehen.

Eine andere Bewertung mag bei Verträgen zwischen Herstellern und Händlern angezeigt sein, da hier die im Einzelfall denkbare urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Programms sowie allgemein das Treffen von Vertriebsvereinbarungen eine klare Einordnung in einen der genannten Vertragstypen verhindern.

Im Verhältnis Lieferant - Anwender ist jedoch ein denkbarer urheberrechtlicher Schutz der Programme ohne Bedeutung, denn selbst wenn man das zur Benutzung des Programms erforderliche Laden in den Hauptspeicher als urheberrechtlich relevante Verwertungshandlung ansehen wollte - dies wird zwischen den Juristen heftig und kontrovers diskutiert - und auch dem Anwender das Recht zur Herstellung von Sicherungs- und/oder Arbeitskopien eingeräumt wird, so stellen diese doch nur unerhebliche Verwertungshandlungen der, deren Genehmigung die vertragliche Einordnung der Überlassung nicht zu tangieren vermag.

Die Rechtsprechung

Die Amts-, Land- und Oberlandesgerichte haben zu diesen Streitfragen bislang kaum detailliert Stellung genommen. Vereinbarungen über die Herstellung von lndividualprogrammen sowie die Änderung oder Anpassung von Standardprogrammen werden als Werkvertrag betrachtet. Die Überlassung von Computerprogrammen in der oben skizzierten Form wird mittlerweile pauschal als Kauf gewertet, auf den die Sachmängel-Gewährleistungsregeln unmittelbar oder entsprechend angewendet werden können. Leasingverträge über Computerprogramme, also die mietähnliche Überlassung auf Zeit, welche Sachen vorbehalten ist, werden gleichsam ohne weitere Erörterungen als zulässig angesehen.

Der Bundesgerichtshof hatte in den ersten Entscheidungen Verträge über Computerprogramme mit Know-how- und Erfindungs-Lizenzverträgen verglichen. Mittlerweile ist jedoch eine deutliche Änderung feststellbar. Nachdem er bereits in der Entscheidung vom 2.5.1985[2] Standardprogramme als 'Verkörperungen der geistigen Leistung, damit aber (als) Sachen' bezeichnet hatte, stellte er in dem weithin beachteten Urteil vom 4.11.1987[3] fest, daß die dauerhafte Überlassung von Programmen gegen einmaliges Entgelt zur freien Verfügung des Anwenders als Kauf anzusehen sei, auf den die Sachmängel-Gewährleistungsregeln des Kaufrechts zumindest entsprechend anwendbar seien, denn Datenträger mit den darin verkörperten Programmen seien Sachen im Sinne des § 90 BGB.

Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18.10.1989[4] bestätigt. Zugleich hat er damit eine weitere Streitfrage geklärt, welche für die Behandlung von Computerprogrammen von enormer Bedeutung ist.

Das Besondere an dem verhandelten Fall war, daß das Programm nicht in körperlicher Form, nämlich als - Diskette, übergehen wurde, sondern daß der Lieferant lediglich vor Ort eine Kopie in die Festplatte des Anwenders überspielte.

Nachdem der Bundesgerichtshof das Vorliegen eines Kaufvertrages bejaht und noch einmal Datenträger mit den darin verkörperten Programmen als 'Sachen qualifiziert hatte, ging er auf die Frage ein, ob auch das Kopieren eines Programms als 'Übergabe einer Sache' verstanden werden könne Er bejahte dies mit dem Hinweis auf dasselbe wirtschaftliche Ziel, nämlich die Nutzbarmachung des Programms durch Einspeicherung auf die Festplatte des Anwenders. Die Übergabe des Programms in Form von Disketten sei nur ein - entbehrliches - Zwischenstadium.

Rechtslage

Als Konsequenz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist festzuhalten, daß Computerprogramme Sachen darstellen oder zumindestens wie Sachen zu behandeln sind. Deren dauerhafte Überlassung gegen einmaliges Entgelt stellt einen Kaufvertrag der. Der Eigentumserwerb besteht in der Übereignung des Datenträgers und damit des konkreten Programmexemplars. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, daß der Käufer bei einem im Einzelfall urheberrechtlich geschützten Programm auch sämtliche Verwertungsrechte an dem Programm erwerben würde, denn die Übertragung des Eigentums betrifft jeweils nur das konkrete Werkexemplar, also das körperliche Substrat. Entsprechend ist die nur zeitweilige Programmüberlassung zum vorübergehenden Gebrauch als Miete zu qualifizieren.

Hinsichtlich der Gewährleistung hat dies zur Folge, daß die jeweiligen Gewährleistungsregeln grundsätzlich in vollem Umfang Anwendung finden.

Wird das Programm verkauft, hat der Verkäufer für Programmfehler einzustehen (§ 459 BGB). Diese liegen vor, wenn der Ist-Zustand des Programms nicht den vertraglichen Abmachungen oder dem üblichen Gebrauch entspricht. Der Käufer kann also vorbehaltlich einschränkender und wirksamer Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers auf Wandelung oder Minderung bestehen (§ 462 BGB); beim Fehlen zugesicherter Eigenschaften oder dem arglistigen Verschweigen von Fehlern kann der Käufer sogar Schadenersatz verlangen (§ 463 BGB).

Schäden, die durch den Einsatz fehlerhafter Programme bestehen, können nach dem Rechtsinstitut der sogenannten 'Positiven Forderungsverletzung', nach dem neuen Produkthaftungsgesetz gemäß der EG-Richtlinie oder entsprechend der geltenden Grundsätze der Produzentenhaftung geltend gemacht werden. Dazu muß dem Verkäufer eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden können.

Bei nur mietweiser Überlassung der Programme haftet der Lieferant für alle bereits vorhandenen und erst entstehenden Programmfehler, so daß der Anwender für die Zeit der fehlerbedingten Gebrauchsbeeinträchtigung den Mietzins vollständig oder teilweise einbehalten (§ 537 BGB) und Beseitigung des Fehlers verlangen kann (§ 536 BGB). Trifft den Lieferanten ein Verschulden oder kommt er mit der Fehlerbeseitigung in Verzug, so kann der Anwender auch Schadenersatz verlangen, im letztgenannten Fall auch den Fehler auf Kosten des Lieferanten selbst beseitigen (§ 538 BGB). Zu beachten ist auch hier, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen teilweise einschränkende Regelungen enthalten können. Die genannten Vorschriften gelten gemäß § 581 BGB auch bei Vorliegen eines Pachtvertrages.

Literatur/Rechtsprechungsnachweise:

[1] Dieter Butscher, Körper und Geist cīt 9/90, S.46
[2] Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2.5.1985, Az. 1 ZB 8/84, NJW-RR 1986,S. 219
[3] Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4.11.1987, Az. VIII 314/86, NJW 1988, S.406
[4] Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.10.1989, Az. VIII 325/88, Der Betrieb 1989, S.2396

Dieser Beitrag ist in cīt 3/1991 S.70 erschienen. Er gibt die Rechtslage und Meinung des Verfassers zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung der weiteren Veröffentlichung.

Homepage | Kanzlei | Anwälte | Tätigkeitsfelder | Aktuell | Publikationen | Links

© 1996 by RA Dr. M. Michael König | Dr. König & Coll. | Kontakt

Revisit this page