DR. KÖNIG & COLL.

RECHTSANWÄLTE


Gerichtsreport: Neue Gerichtsentscheidungen zum EDV-Recht

Aus- und Einbaukosten bei Nacherfüllung

von RAuN und FA IT-Recht Dr. M. Michael König

Weniger im privaten Bereich, häufig aber im gewerblichen Bereich umfaßt die Lieferung von IT-Materialien - Hardware und Software - auch deren Installation und/oder die Hardware besteht nicht nur aus einem einzelnen PC sondern aus mehreren Komponenten, die zu installieren sind. Häufig ist nicht klar, ob bei mängelbedingter Nacherfüllung auch die Deinstallation und Neuinstallation zu vergüten ist.

Es entspricht den tradierten Grundsätzen der deutschen Mängelgewährleistung im Kauf- und Werkvertragsrecht, daß dem Erwerber Minderung, Wandelung und ggfs. Schadensersatzansprüche zustehen. Durch die BGB-Novellierung im Jahr 2000, die auch der Umsetzung von EU-Richtlinien für den Verbrauchsgüterkauf dienten, wurde die Wandelung durch die Rückgängmachung des Kaufs ersetzt und zusätzlich ein vorrangiger Anspruch auf Nacherfüllung, als Neuvornahme der Leistungshandlung durch den Lieferanten, geschaffen.
Diese nach Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter erforderliche Neuregelung war an sich nur für den Verbrauchsgüter- oder Verbraucherkauf, also für Kaufverträge zwischen Unternehmen und Privatleuten, notwendig gewesen. Gleichwohl hat der deutsche Gesetzgeber diese Neuregelung für das allgemeine Kaufrecht vorgenommen.

Bei Waren, deren einfache Nachlieferung zu einer Befriedigung des Käufers führte, stellte sich die Frage nicht, ob der Lieferant auch die Kosten des Ausbaus der mangelhaften Ware und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Ware tragen mußte. Dem Grundverständnis des deutschen Gewährleistungsrechts entsprechend wurde diese Frage, wenn sie einmal zur Entscheidung ansteht, grundsätzlich negativ beantwortet; auch der BGH hatte am 15.7.2008 die Auffassung vertreten, daß sich eine so weitgehende Ausdehnung der Nacherfüllungspflicht aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie nicht herleiten lasse [1].

Daher besaß der Käufer allenfalls dann, wenn die Voraussetzungen für Schadensersatz vorlagen, dem Verkäufer als Verschulden vorzuwerfen war, einen derartigen Anspruch als Schadensersatzanspruch. Als ein derartiger Fall aus dem Verbrauchsgüterbereich, also beruhend auf einem Vertrag zwischen einem Unternehmen und einem Privatmann, erneut zum Bundesgerichtshof zur Entscheidung gelangte, legte dieser mit Vorlagebeschluß vom 14.1.2009 dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage der entsprechenden Auslegung der Richtlinie vor[2]. Dieser hat durch Urteil vom 16. Juni 2011 über die Auslegung der Richtlinie wie folgt entschieden:[3]

"Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie [...] ist dahin auszulegen, dass, wenn der vertragsgemäße Zustand eines vertragswidrigen Verbrauchsguts, das vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts notwendig sind. Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob er sich im Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte Verbrauchsgut einzubauen."

Daraufhin hat der BGH in jenem Verfahren mit seiner abschließenden Entscheidung vom 21.12.2011 § 439 (1) 2.Alt. BGB richtlinienkonform dahin ausgelegt, daß die Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache umfaßt[4]. In der hier zu besprechenden Entscheidung hat er zusätzlich festgestellt, daß für den Einbau der als Ersatz gelieferten Kaufsache aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs nichts anderes gelten könne; auch insoweit sei eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 (1) 2.Alt. BGB für den Verbrauchsgüterkauf geboten[5].

Damit sind die Verhältnisse im Gebrauchsgüterkauf geklärt: Im Verhältnis eines Unternehmers zu einem Privatmann als Käufer umfaßt die Nacherfüllung auch Aus- und Einbaukosten. Maßgebliche Auswirkungen hat dies etwa beim Kauf von Baumaterialien, beispielsweise Fliesen: Erweisen sich die auf der Außenterrasse verlegten nicht wie angegeben als frostsicher, so wird dies für den Verkäufer auch dann, wenn ihn kein Verschulden trifft, eine sehr teure Angelegenheit, denn er muß sowohl die Ausbau- als auch Verlegekosten sowie die Kosten der Entsorgung übernehmen - Europa läßt grüßen. Im hier eigentlich interessierenden EDV-/IT-Bereich kommen dagegen kaum einschlägige Fälle in den Sinn - denken können man an eine bestimmungsgemäß "fest" in einem Haus verlegte aber mangelhafte Netzwerk- oder Telefonverkabelung, auch wenn dies eher weniger wahrscheinlich erscheint.

Da diese richtlinienkonform Auslegung des § 439 (1) 2.Alt. BGB allgemeine Geltung zu haben schien, weil § 439 (1) 2.Alt. BGB keine spezifische Verbrauchsgüterkäufer-Regelung darstellt sondern allgemein für alle Kaufverträge gilt, lag natürlich nahe, auch im gewerblichen/unternehmerischen Bereich von einer entsprechenden umfänglichen Nacherfüllungs- Leistungsverpflichtung des Verkäufers auszugehen. Hierfür kann es im gewerblichen EDV-/IT-Bereich viele einschlägige Fälle geben, denn im Gegensatz zum privaten Bereich umfaßt hier die Lieferung von IT-Materialien - Hardware und Software - zumeist auch deren Installation und/oder die Hardware besteht nicht nur aus einem einzelnen PC sondern aus mehreren Komponenten, die zu installieren sind. Der hierbei entstehende Aufwand, die hierfür erforderlichen Kosten können ganz erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben; nicht selten erzielen gerade Softwareuntnehmen ihre Gewinner weniger aus dem Verkauf von Software als vielmehr aus der Erbringung der von Dienst- und Werkleistungen im Rahmen der Installation.
Ein solcher Streit im gewerblichen Bereich entstand im Jahr 2006/2007 und fand 2011 den Weg zum Bundesgerichtshof. Es ging hierbei um mangelhaftes EPDM-Granulat, mit dem Kunstrasenplätze hergestellt werde. Die im Sportplatzbau tätige Klägerin kaufte in den Jahren 2006 und 2007 bei der Beklagten EPDM-Granulat eines polnischen Produzenten als Material zur Herstellung von Kunstrasenplätzen Nach dem Einbau durch die Klägerin stellte sich heraus, daß das von der Beklagten gelieferte Granulat mangelhaft war. Im Wege der Nacherfüllung liefert diese kostenlos SBR-Granulat zum Austausch. Sie weigerte sich aber, das mangelhafte Granulat auszubauen und das Ersatzgranulat einzubauen. Die Klägerin ließ diese Arbeiten sodann durch ein anderes Unternehmen vorgenommen. Sie verlangte von der Beklagten soweit hier interessierend Zahlung der Aus- und Einbaukosten und Entsorgungskosten für das mangelhafte Material. Das Landgericht hat ihr nur die Entsorgungskosten zugesprochen, ihre Berufung zum Oberlandesgericht blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht verneinte einen Schadensersatzanspruch, weil die Beklagte als Zwischenhändlerin die Mangelhaftigkeit des Granulats nicht habe erkennen können; ein Verschulden des Herstellers habe sie nicht zu vertreten, weil dieser nicht ihr Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB gewesen sei. Auch eine Verletzung des Nacherfüllungsanspruchs der Beklagten aus § 439 (1) BGB scheide aus, denn der Verkäufer schulde im Rahmen der Nacherfüllung weder den Ausbau der von ihm zuvor gelieferten und vom Käufer selbst eingebauten mangelhaften Sache noch den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache.
Gleiches gelte auch hinsichtlich der Einbaukosten; das Oberlandesgericht verwies u.a. auf die bereits zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15.7.2008[1]; aus der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ergebe sich daher nichts anderes. Wie vom BGH festgestellt schulde der Verkäufer schulde lediglich eine vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen er sich nach § 433 (1) BGB verpflichtet habe, also die nochmalige Übergabe des Besitzes und die Verschaffung des Eigentums an einer mangelfreien Sache, nicht aber mehr.
Mit der teilweise vom Oberlandesgericht und teilweise vom BGH zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung der Kosten für den Ausbau des mangelhaften Granulats und für den Einbau des Ersatzgranulats weiter, letzten Endes aber ohne Erfolg[5].

Hinsichtlich des möglichen Schadensersatzanspruchs stimmte der BGH dem Oberlandesgericht ohne weiteres zu: Zwar seien die Voraussetzungen des § 280 (1) S.1 BGB für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin insoweit erfüllt, als das von der Beklagten verkaufte EPDM-Granulat mangelhaft war (§ 434 BGB). Die Beklagte habe jedoch die sich daraus ergebende Pflichtverletzung (§ 433 (1) S.2 BGB) nicht zu vertreten (§ 280 (1) S.2 BGB)[5].

Im Ergebnis gelte, so der BGH, nichts anderes für die Verletzung der Nacherfüllungspflicht[5].

Der BGH führt aus, daß die Voraussetzungen für einen Nacherfüllungsanspruch der Klägerin nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB zwar erfüllt waren, weil das von der Beklagten gelieferte EPDM-Granulat mangelhaft war. Nach § 439 (1) BGB kann der Käufer nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Die Klägerin habe die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt. Dieser Aufforderung ist die Beklagte nachgekommen, indem sie kostenlos SBR-Granulat zur Verfügung gestellt hat, das von der Klägerin als Ersatzmaterial akzeptiert worden sei. Damit habe die Beklagte ihre Pflicht zur Nacherfüllung erfüllt.
Entgegen der Meinung der Klägerin sei die Beklagte darüber hinaus aber nicht verpflichtet gewesen, das mangelhafte EPDM-Granulat auszubauen und das SBR-Granulat einzubauen. Denn diese Leistungen würden, so der BGH, vom Nacherfüllungsanspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 (1) 2.Alt. BGB) nicht umfaßt, wenn es sich bei dem Vertrag nicht um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 (1) BGB handele, sondern um einen Kaufvertrag im geschäftlichen Verkehr zwischen Unternehmern oder im privaten Bereich zwischen Verbrauchern. Ein solcher Fall liege hier vor, da die Kläger und Beklagter Unternehmer nach § 14 BGB seien.

Zur Begründung verweist der BGH darauf, daß die oben erwähnte Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16.6.2011[3] nur die Ausbaukosten im Verbrauchgsgütergeschäft, also Kaufverträge zwischen Unternehmen und Privatleuten, betraf; gleiches galt für die darauf ergangene Entscheidung des BGH selbst[4]. Nicht anderes könne für den Einbau der als Ersatz gelieferten Kaufsache gelten; auch insoweit sei eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 (1) 2.Alt. BGB für den Verbrauchsgüterkauf geboten. An seine früher ergangene und vom Oberlandesgericht in diesem Verfahren zitierte gegenteilige Entscheidung vom 15.7.2008[1] für den Verbrauchsgüterkauf halte der BGH daher nicht fest.
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Auslegung des § 439 (1) 2.Alt. BGB außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs liege also noch nicht vor, so daß das Oberlandesgericht für den hier vorliegenden Fall eines Kaufvertrags zwischen Unternehmern zu recht angenommen habe, daß die Nachlieferung im Sinne des § 439 (1) 2.Alt. BGB weder den Ausbau der mangelhaften Kaufsache noch den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache umfaßt.

Denn das aus dem Umsetzungsgebot des Art. 288 (3) AEUV und dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 (3) EU folgende Gebot richtlinienkonformer Auslegung greift im vorliegenden Fall nicht ein, weil es sich auf den Anwendungsbereich der Richtlinie beschränke. Diese sowie das zitierte Urteil des EU-Gerichtshofs[1] beziehen sich aber nur auf den Verbrauchsgüterkauf und nicht auf andere Kaufverträge. Nichts anderes gelte auch für die im Urteil des BGH vom 21. 12.2011[4] erfolgte richtlinienkonforme Auslegung des § 439 (1) 2.Alt. BGB: Der BGH hat lediglich entschieden, daß eine richtlinienkonforme Auslegung im Sinne des Urteils des EU-Gerichtshofs noch vom Wortlaut des § 439 (1) 2.Alt. BGB gedeckt ist, nicht aber festgestellt, daß eine solche Auslegung auch über den Verbrauchsgüterkauf hinaus geboten oder sachgerecht wäre. Der BGH erläutert, daß eine richtlinienkonforme Auslegung für das nationale Recht auch über den Geltungsbereich einer Richtlinie hinaus Bedeutung erlangen kann, wenn eine sog. überschießende Umsetzung einer Richtlinie in das nationale Recht erfolgt ist, also der Inhalt einer Richtlinie über deren vorgesehenen Anwendungsbereich hinaus bewußt für einen dafür nicht vorgesehenen Bereich in national Recht umgesetzt wird. Als freiwilliger Akt könne sich dies nur aus einem entsprechenden Willen des nationalen Gesetzgebers ergeben.
Zwar liege hier eine richtlinienüberschießende Umsetzung der EU-Richtlinie vor, weil der deutsche Gesetzgeber die EU-rechtlichen Vorgaben für die Nacherfüllung nicht lediglich in die Sonderregelungen für den Verbrauchsgüterkauf der §§ 474 ff. BGB sondern in die für alle Kaufverträge geltenden Bestimmungen der §§ 433 ff. BGB eingefügt hat. Die weitere Voraussetzungen der willentlichen überschießenden Umsetzung liege aber nicht vor. Der BGH begründe dies damit, daß der deutsche Gesetzgeber bei der richtlinienüberschießenden Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Nacherfüllung von einem anderen Verständnis der Richtlinie ausgegangen als der EU-Gerichtshof. Denn aus den Gesetzesmaterialien der Schuldrechtsreform, mit dem auch diese EU-Richtlinie im Jahr 2000 in nationales Recht (Novellierung des BGB) umgesetzt wurde, würde sich ergeben, daß dem deutschen Gesetzgeber eine so weitgehende Ausdehnung der Nachlieferungspflicht auf die Aus- und Einbaukosten, wie sie der EU-Gerichtshof vorgenommen hat, nicht bewußt gewesen sei er sie deshalb jedenfalls nicht für das gesamte Kaufrecht gewollt haben würde. Daher sei es gerechtfertigt, die richtlinienkonforme Auslegung des § 439 (1) 2.Alt. BGB auf den Verbrauchsgüterkauf zu beschränken und nicht auf andere, der Richtlinie nicht unterfallende Kaufverträge auszudehnen.

Der Bundesgerichtshof erläutert dies dahingehend, daß sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers, wie schon aus der gesetzlichen Formulierung hervorgehe, bei der in § 439 (1) BGB als eine der beiden Alternativen der Nacherfüllung vorgesehenen Lieferung einer mangelfreien Sache der Nacherfüllungsanspruch und der ursprüngliche Erfüllungsanspruch hinsichtlich der vom Verkäufer geschuldeten Leistungen übereinstimme; es sei lediglich anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache nunmehr eine mangelfreie - im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige - Sache zu liefern. Daher erfordere die Ersatzlieferung (nur) eine vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer nach § 433 (1) 1.Abs. S.1 und 2 BGB verpflichtet sei, denn der Verkäufer schulde (nur) nochmals die Übergabe des Besitzes und die Verschaffung des Eigentums einer mangelfreien Sache - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergebe sich, daß der Gesetzgeber mit der Nacherfüllung lediglich eine nachträgliche Erfüllung der Verkäuferpflichten aus § 433 (1) S.2 BGB habe durchsetzen wollen: Der Käufer habe mit der Nacherfüllung das erhalten sollen, was er vertraglich beanspruchen konnte.
Somit, so der BGH, bewahre die Nacherfüllung den Käufer einer mangelhaften Sache nicht ohne Weiteres vor jedweden Vermögensnachteilen. Denn nach dem kaufrechtlichen Gewährleistungssystem der §§ 434 ff. BGB seien über das Erfüllungsinteresse hinausgehende Vermögensnachteile, die beim Käufer dadurch entstehen, daß dem Verkäufer die Erfüllung nicht schon beim ersten, sondern erst beim zweiten Versuch gelingt, nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers im Grundsatz nur nach den allgemeinen Regeln über den Schadens- oder Aufwendungsersatz auszugleichen. Daraus folge, daß der Ausbau der mangelhaften Kaufsache und der Einbau der als Ersatz gelieferten Sache nach nationalem deutschem Recht grundsätzlich nicht zu der vom Verkäufer geschuldeten Nacherfüllung zählten - eine Ausnahme würde nur insoweit gelten, als sich aus Art. 3 (2) und (3) der Richtlinie etwas anderes ergebe und dies im Rahmen richtlinienkonformer Auslegung des § 439 (1) 2.Alt. BGB zu berücksichtigen sei[2].
Da diese Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers über Inhalt und Umfang der Nachlieferungspflicht gemäß § 439 (1) 2.Alt. BGB mit dem Verständnis des EU-Gerichtshofs über den Umfang der Nachlieferungspflicht gemäß Art. 3 (2) und (3) der Richtlinie übereinstimmten, könne nicht angenommen werden, daß der deutsche Gesetzgeber beabsichtigt habe eine so weitgehende Ausdehnung der Nachlieferungspflicht, wie sie der EU-Gerichtshof für den Verbrauchsgüterkauf verbindlich vorgenommen hat, im Wege richtlinienkonformer Auslegung über den Verbrauchsgüterkauf hinaus auch auf andere Kaufverträge zu erstrecken.
Es spreche daher nichts dafür, daß der deutsche Gesetzgeber die Nachlieferungspflicht gemäß § 439 (1) 2.Alt. BGB einheitlich für alle Kaufverträge geregelt hätte, wenn er die spätere Auslegung der Richtlinie durch den EU-Gerichtshof vorhergesehen hätte. Es sei im Gegenteil vielmehr davon auszugehen, er dann die Umsetzung der Vorgaben der EU-Richtlinie für die Nachlieferungspflicht auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt hätte. Daher sei eine richtlinienkonforme Auslegung des § 439 (1) 2.Alt. BGB über den Verbrauchsgüterkauf hinaus auf den großen Bereich der Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern ist abzulehnen.

Kommentar

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist nicht leicht zu verstehen, scheint sie doch widersprüchlich zu sein. Einerseits wird die Nacherfüllungsregelung in § 439 (1) 2.Alt. BGB so ausgelegt, daß beim Gebrauchsgüterkauf auch der Aus- und Einbau durch den Verkäufer bezahlt werden muß, andererseits soll dieselbe Regelung einen anderen, gegenteiligen, nämlich den ursprünglichen und "wörtlichen" Inhalt besitzen, wenn zwei Unternehmen oder zwei Privatleute beteiligt sind.
Man kann dies nur verstehen, wenn man strikt die unbedingte Vorrangigkeit des EU-Rechts, auch der EU-Richtlinien, und deren Auslegung durch den EU- Gerichtshof vor dem nationalen Recht und nationalen Gerichten beachtet. Soweit der Anwendungsbereich der betreffenden Richtlinie reicht, muß das nationale Recht diesem entsprechen. Üblicherweise erfolgt dies durch eine richtlinienkonforme Auslegung, um die Unwirksamkeit des widersprechenden nationalen Rechts zu vermeiden, auch wenn dem einen oder anderen unbedarften Juristengeist dies dann und wann eher als Rechtsetzung oder Schlimmeres denn als Auslegung erscheint.
Ungeachtet des Problems der "Auslegung" als solcher ist dies ist dann "problemlos", wenn sich der Gesetzgeber darauf beschränkt hat, die EU- Richtlinie nur soweit umzusetzen, wie deren Anwendungsbereich es verlangt. Wenn der Gesetzgeber hier also die Nacherfüllung nur in den Neuregelungen des Gebrauchsgüterkaufs aufgenommen hätte, würde deren richtlinienkonforme Auslegung - über die erfolgte "Auslegung" als solche hinaus - nicht zu weiteren Verständnisschwierigkeiten führen. Er war aber von dem Gedanken des dem deutschen Recht bislang fremden Gedanken der "zweiten Chance", also dem Recht eines zweiten Versuchs, die geschuldete Leistung zu erbringen, offenbar so begeistert, daß er dies gleich und allein in die allgemeinen Regeln des Kaufrechts geschrieben hat, und zwar ohne weitere Differenzierung zwischen Gebrauchsgüterkauf und dem "normalen" Kauf. In einem solchen Fall stellt sich die Frage, ob eine ggfs. - wie hier - über den Wortlaut hinaus erfolgende EU- richtlinienkonforme "Auslegung" nur für den von der Richtlinie ursprünglich angezielten Bereich hinaus gelten soll oder auch für alle anderen Bereiche, für die eben die allgemein geschaffene Regelung wie § 439 (1) 2.Alt. BGB Geltung beansprucht. Wie der BGH erläutert hat richtet sich dies nach dem Willen und dem Motiv des Gesetzgebers: Wenn der Wille des Gesetzgebers erkennbar und feststellbar nur auf Wirkungen und Regelungen gerichtet ist, die von dem Ergebnis der vorzunehmenden Auslegung nicht erfaßt sind oder, wie hier, dem deutschen Rechtsverständnis und der deutschen Rechtstradition fremd sind, also offensichtlich unter keinen Umständen von dem gesetzgeberischen Willen umfaßt sein können, dann ist die zwingende Folge, daß die nicht weiter differenzierende Regelung sozusagen aufgespalten wird und lediglich in dem von der EU-Richtlinie erfaßten Bereich im Wege der gebotenen "Auslegung" einen zusätzlichen Regelungsinhalt erhält.

Von der "Auslegung" des § 439 (1) 2.Alt. BGB abgesehen behalten sich die Feststellungen des BGH im Bereich des Vorhersehbaren. In der Tat setzt ein Schadensersatzanspruch Verschulden voraus, was eben bedeutet, daß der Verkäufer die Lieferung der mangelhaften Sache nicht nur vorgenommen haben sondern die Mangelhaftigkeit auch vertreten muß. Der klassische Fall wäre Kenntnis von dem Mangel oder auch die Verletzung von Prüfungspflichten, soweit vorhanden. Gemeinhin wird der bloße Verkäufer aber nicht als verpflichtet angesehen, die eingekaufte und weiterverkaufte Ware auf Mangelfreiheit zu überprüfen. Er muß zwar im Rahmen der normalen Gewährleistung - Nacherfüllung, Minderung, Rückgängigmachung des Kaufs - für die Mangelfreiheit einstehen, ist aber i.d.R. keinem Schadensersatzanspruch ausgesetzt.
Auch die Nacherfüllung umfaßt ohne diese EU-richtlinienkonforme Auslegung weder Aus- noch Einbau der Ware und damit auch nicht die Übernahme deren Kosten. Nacherfüllung besteht lediglich darin, anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache nunmehr eine mangelfreie - im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige - Sache zu liefern. Daher erfordert die Ersatzlieferung nur eine vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer nach § 433 (1) 1.Abs. S.1 und 2 BGB verpflichtet ist. Da der Verkäufer noch einmal die Übergabe des Besitzes und die Verschaffung des Eigentums einer mangelfreien Sache - nicht weniger, aber auch nicht mehr - schuldet, muß er weder aus- oder einbauen noch die dafür erforderlichen Kosten übernehmen. Dies gilt indes aufgrund der gegenteiligen EU-Richtlinie nur noch für den Bereich außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs, also bei Kaufverträgen zwischen Unternehmen oder zwischen Privaten.

Für den Bereich des gewerblichen Kaufs von EDV-Hardware und Software bedeutet dies also, daß im Normalfall die Nacherfüllung nicht die De- und Neuinstallation des mangelhaften Bestandteils umfaßt.

[1] Urteil des Bundesgerichtshofsvom 15.7.2008, Aktenzeichen VIII ZR 211/07, BGHZ 177, 224
[2] Vorlagebeschluß des Bundesgerichtshofs vom 14.1.2009, Aktenzeichen VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660
[3] Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16.6.2011, Aktenzeichen C-65/09, C-87/09, NJW 2011, 2269
[4] Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.12.2011, Aktenzeichen VIII ZR 70/08, NJW 2012, 1073
[5] Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.10.2012, Aktenzeichen VIII ZR 226/11, NJW 2013, 220

RAuN und FA IT-Recht Dr. M. Michael König / Der Autor ist Rechtsanwalt und Notar in Frankfurt am Main sowie Fachanwalt für Informationstechnologierecht
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