DR. KÖNIG & COLL.

RECHTSANWÄLTE


Gerichtsreport: Neue Gerichtsentscheidungen zum EDV-Recht

Verstoß gegen Unterlassungsverpflichtung

von RAuN und FA IT-Recht Dr. M. Michael König

Wer wegen der nicht rechtmäßigen Verwendung - Nutzung - eines urheberrechtlich geschützten Werks im Internet abgemahnt wird, gibt üblicherweise eine entsprechende Unterlassungsverpflichtung ab, die durch ein Vertragsstrafenversprechen gesichert wird. Danach sollte man größte Sorgfalt darauf verwenden, seiner Unterlassungsverpflichtung auch nachzukommen, denn aus diesen Verpflichtungen und der entsprechenden Vertragsstrafe ist kaum entkommen möglich. Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe zeigt dies anschaulich.

Die Beklagte des Verfahrens hat ein Internetportal betrieben, E-Mail-Konten bereitgestellt und eine Shopping- und Internetplattform betrieben - ein typischer Internet-Provider also. Auf einer von ihr gehosteten Website war im November 2009 als Teil eines Beitrags eine Fotografie zu sehen, die von F unter Beteiligung der Visagistin V geschaffen worden war und M zeigte. Die Beklagte hatten weder von F noch von V oder M ein Recht zur Nutzung der Fotografie erworben.
Daraufhin ließen M, F und V die Beklagte Anfang Dezember 2009 wegen der unberechtigten Lichtbildnutzung abmahnen. Zwei Wochen danach gab die Beklagte M, F und V gegenüber eine Unterlassungserklärung ab, in der sie sich verpflichtete,

"es zukünftig bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung von den Unterlassungsgläubigern nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) festzusetzenden und im Streitfall vom zuständigen Amts- bzw. Landgericht auf Angemessenheit zu überprüfenden Vertragsstrafe zu unterlassen, das nachfolgend wiedergegebene Lichtbild ohne Lizenz der Unterlassungsgläubiger im Internet zu nutzen ...".

M, F und V haben diese Unterlassungserklärung angenommen.

Entgegen dieser Unterlassungsverpflichtung war es drei Wochen danach noch möglich, diese Fotografie, die Gegenstand der Unterlassungserklärung war, anzuzeigen und herunterzuladen. M, F und V sahen dadurch die Vertragsstrafe als verwirkt an und forderten die Beklagten umgehend zur Zahlung einer Vertragsstrafe von jeweils EUR 2.500,00 an jeden von ihnen, insgesamt also EUR 7.500,00 auf. Die Beklagte wies den geltend gemachten Anspruch jedoch zurück.

Später änderte die Beklagte ihre Firmierung und ist als übernehmender Rechtsträger im Wege der Aufnahme mit zwei anderen Unternehmen verschmolzen worden.
Auch bei M, F und V ergaben sich Änderungen, denn diese traten etwa ein halbes Jahr nach der Geltendmachung der Vertragssstrafe ihre Ansprüche an die Klägerin des späteren Prozesses ab.

Diese Klägerin begründete die gegen die Beklagte vor dem Landgericht Mannheim eingereichte Zahlungsklage mit dem Verweis auf die Vertragsstrafenvereinbarung, gegen die die Beklagte schuldhaft verstoßen habe, da die Datei mit der vereinbarungsgegenständlichen Fotografie auch nach Abgabe der Unterlassungserklärung noch auf einem ihrer Server gespeichert und abrufbar gewesen sei. Dies sei eine Nutzung im Internet im Sinne der Unterlassungsvereinbarung. Die eingeklagte Vertragsstrafe sei auch der Höhe nach angemessen, da sie die Funktion eines pauschalierten Schadensersatzes habe und außerdem als Druckmittel, sich an die Unterlassungserklärung zu halten, wirken solle.

Die Beklagte hat in ihrer Verteidigung die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten, also die wirksam Abtretung der Zahlungsansprüche in Abrede gestellt. Außerdem sei ein abtretungsfähiger Anspruch erst nach Ausübung des Bestimmungsrechts des Gläubigers, also die Festsetzung der Vertragsstrafe, entstanden und habe nicht vorher abgetreten werden können. Im Zeitpunkt der Abtretungserklärung sei aber noch keine Ermessensausübung erfolgt. Außerdem sei sie aufgrund der Verschmelzung nicht mehr passivlegitimiert, also Schuldner der Verpflichtung, gewesen. Bezogen auf den ihr vorgeworfenen Verstoß meinte sie, daß ein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung schon deshalb nicht vorliege, weil sie die betreffende Fotografie nicht "genutzt", sondern allenfalls öffentlich zugänglich gemacht habe. Außerdem fehle es am erforderlichen Verschulden. Denn sie habe zur Löschung der Fotografie eine Software verwendet, die noch niemals fehlerhaft gearbeitet habe. Aber in diesem Fall sei das Lichtbild auf allen bis auf drei Servern gelöscht worden. Auch ein Aufruf des Links zum Bild habe eine Fehlermeldung dahingehend ergeben, dass die gesuchte Datei nicht mehr vorhanden sei. Schließlich beanstandete sie die Vertragsstrafe als unangemessen hoch.

Das Landgericht Mannheim hat die Beklagte zur Zahlung der geforderten Vertragsstrafe verurteilt. Es hat die Aktiv- sowie die Passivlegitimation bejaht. Hinsichtlich der Tathandlung meint das Landgericht, daß auch das öffentliche Zugänglichmachen eine Nutzung im Rechtssinne sei. Das erforderliche Verschulden der Beklagten liege ebenfalls vor, denn diese hätte den Erfolg der Löschungsmaßnahme umfassend kontrollieren müssen. Die Vertragsstrafe sei auch nicht unangemessen hoch; hier bestehe nur eine eingeschränkte gerichtliche Ermessenskontrolle.

Die Beklagte hat gegen die Verurteilung Berufung zum Oberlandesgericht Karlsruhe[1] eingelegt. Diese bliebt aber erfolglos.

Die geschlossene Unterlassungs- und Vertragsstrafenvereinbarung sah das OLG Karlsruhe, dem Landgericht Mannheim folgend, als wirksam an.

Hinsichtlich der Tathandlung war nach Meinung des Oberlandesgerichts die Vertragsstrafe durch einen von der Beklagten zu vertretenden Verstoß gegen die vertragliche Unterlassungspflicht in der geltend gemachten Höhe verwirkt. Die Beklagte hatte hiergegen argumentiert, daß sie ihre Unterlassungsverpflichtung allein auf eine "Nutzung" bezogen habe. Diese "Nutzung" sei aber aus urheberrechtlicher Sicht nur "ein Minus" zu einem der Verwertungsrechte wie dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.
Das OLG Karlsruhe sah zwar die Notwendigkeit, daß die Vertragsstrafenvereinbarung im Hinblick auf seine Reichweite auszulegen sei, also was mit der dem Wortlaut nach zu unterlassenden "Nutzung" der Fotografie im Internet gemeint sei. Maßgeblich sei aber, daß das Begleitschreiben der Beklagten zu der Unterlassungserklärung auf die Abmahnung der V, F und M Bezug genommen hatte. In dieser Abmahnung hatten V, F und M aber auf die Verletzung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 19a UrhG abgestellt. Dieses Recht der öffentlichen Zugänglichmachung beschreibe das Recht, das betreffende Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, daß es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Dies habe die Beklagte aber sowohl vor als auch nach der Abmahnung getan, indem sie die betreffende Fotografie auf ihrer Internetseite unter einer bestimmten URL eingestellt und dadurch öffentlich zugänglich gemacht hatte. Nach Meinung des OLG Karlsruhe habe für die Beklagte kein Zweifel bestehen können, daß sich ihre Unterlassungsverpflichtung darauf bezog, dieses Verhalten zu beenden und auch in Zukunft nicht zu wiederholen. Daher könne die von der Beklagten auf die Abmahnung hin abgegebene Unterlassungserklärung nur dahingehend verstanden werden, daß sie der Forderung von F, G und M erfüllen wollte, was eben nur durch eine auf das beanstandete Verhalten bezogene, strafbewehrte Unterlassungserklärung möglich war. Insbesondere habe die Beklagte keine Veranlassung besessen, davon auszugehen, daß sich ihre Erklärung habe nur auf die Verwendung der Fotografie im Kontext "eines redaktionellen Beitrags" bezogen habe, wie sie zur ihrer Verteidigung angeführt hatte. Gerade weil die Beklagte nicht nur eine eigene Plattform mit eigenen Inhalten unterhielt sondern zugleich in großem Umfang Providerdienste anbot, deutete nach Meinung des Oberlandesgerichts alles darauf hin, daß jede lizenzfreie Nutzung der Fotografie untersagt werden und unterbleiben solle. Daher, so das Oberlandesgericht weiter, sei der Unterlassungsvertrag nach "Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB)" dementsprechend auszulegen, so daß sich die Beklagte verpflichtet hatte, das öffentliche Zugänglichmachen der Fotografie in Zukunft zu unterlassen. Das OLG folgerte daraus, daß sich das Vertragsstrafeversprechen demnach auf jede Nutzung im Sinne eines öffentlichen Zugänglichmachens ohne Einverständnis der an der Fotografie Berechtigten erstrecke. Daher komme es auch nicht darauf an, ob das beanstandete Verhalten der Beklagten rechtlich als "Nutzung des Lichtbildes im Internet" anzusehen sei.

Das OLG Karlsruhe ließ es aber dabei nicht bewenden sondern begründete auch, daß das ursprünglich beanstandete Verhalten der Beklagten auch nach den Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes eine Nutzung des Werks dargestellt habe. Denn die Fotografie habe von jedermann über die lnternetseite der Beklagten aufgerufen werden können. Dadurch habe die Beklagte aber das dem Urheber zustehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werks (§ 19 a UrhG) verletzt. Die Beklagte hatte hierzu in ihrer Verteidigung die Auffassung vertreten, daß das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung urheberrechtlich zu den Verwertungsrechten des Urhebers und nicht zu den Nutzungsrechten gem. §§ 31 ff UrhG zähle. Diesen Einwand sah das OLG aber als nicht stichhaltig an. Denn die §§ 16 ff. UrhG würden davon ausgehen, dass in den geregelten Fällen eine körperliche oder unkörperliche Verwertung stattfinde. Da das in § 19a UrhG aufgeführte Recht systematisch zum Recht der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG) zähle, sei im Rahmen des § 19a UrhG eine besondere Verwertung nicht erforderlich. Die von der Beklagten übernommene Verpflichtung, eine "Nutzung" zu unterlassen, sei also nichts anderes als das Unterlassen aller Handlungen, die ohne eine entsprechende Lizenzierung, also die Einräumung von Nutzungsrechten gem. § 31 ff. UrhG, gegenüber dem Berechtigten (Urheber) rechtswidrig sind.

Auch der Einwand der Beklagte, daß angesichts der komplexen URL, die aus einer 44stelligen Kombination von Buchstaben und Zahlen bestanden habe, ein Aufruf des streitgegenständlichen Bildes durch Dritte praktisch ausgeschlossen gewesen sei und aus diesem Grunde auch kein öffentliches Zugänglichmachen vorgelegen habe, half ihr nicht. Nach Meinung des Oberlandesgerichts werde ein Zugänglichmachen in dem Sinn, wie es der Unterlassungsverpflichtung der Beklagten entsprach, nicht dadurch objektiv ausgeschlossen, daß eine URL so aufwendig ausgestaltet ist, daß sie wie eine Art "Sicherheitscode" kaum überwunden werden könnte. Das OLG Karlsruhe verwies auf die vom Hanseatischen Oberlandesgericht vertretene Auffassung, daß schon die abstrakte Möglichkeit, durch Eingabe der betreffenden URL zu dem geschützten Werk zu gelangen, für das öffentliche Zugänglichmachen genüge [2]. Für das vorliegende Verfahren sei aber entscheidend, daß es Dritten dann, wenn wie hier eine Verlinkung mit einer Website bestanden hat, möglich bleibe, das im Internet zugängliche streitgegenständliche Lichtbild auch ohne genaue Kenntnis der URL aufzufinden. Erneut unter Verweis auf die Entscheidung des Hanseatischen OLG meinte auch das OLG Karlsruhe, daß dies dadurch ermöglicht werde, wenn die betreffende URL noch auf dem Rechner Dritter gespeichert sei, also z.B. durch sog. Favoriten oder Bookmarks im Browser, wodurch der Benutzer unmittelbar zu der noch im Internet vorhandene Datei geführt werde. Außerdem sei dies auch durch den Einsatz von Suchmaschinen möglich.

Da die Verwirkung einer Vertragsstrafe ein Vertretenmüssen des Schuldners voraussetzt, also ein schuldhaftes Zuwiderhandeln, hat die Beklagte sich mit der Behauptung zu entschuldigen versucht, daß sie alles getan habe, um der Unterlassungsverpflichtung nachzukommen. Sie behauptete, daß die Fotografie aus dem bis zu diesem Zeitpunkt einwandfrei funktionierenden Content-Management System gelöscht worden sei, was zu einer Löschung bei allen die Website ausliefernden Webservern hätte führen müssen. Außerdem haben sie die Abrufbarkeit des Bildes sogar noch einmal durch einen Mitarbeiter anhand der URL kontrollieren lassen, und behauptete, daß niemand hätte voraussehen können, dass der Abruf der URL doch noch zur Anzeige des Bildes hätte führen können.
Das OLG Karlsruhe hat dies aber anders beurteilt. Gemäß § 276 Abs. 1 BGB genüge schon Fahrlässigkeit und fahrlässig handele, wer das Maß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt außer Acht lasse. Es sei zwar richtig, daß man sich auf eine im Normalfall fehlerfrei arbeitende Software verlassen könne und dies für sich genommen kaum den Vorwurf mangelnder Sorgfalt begründen könne. In dem vorliegenden Fall sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch die rechtswidrige Verwendung der streitgegenständlichen Fotografie in ihrem Internet- Angebot bereits fortlaufend Rechte Dritter, nämlich die Rechte von F, V und M, verletzt habe. Daraus folge nach Meinung des Oberlandesgerichts ein besonderes Maß an Sorgfalt, wenn sie sich nunmehr zur künftigen Unterlassung dieser Verletzungshandlungen verpflichtete: Sie habe bei der Umsetzung der dazu erforderlichen Maßnahmen ein besonderes Maß an Sorgfalt walten lassen müssen. Bei Anwendung dieser Sorgfalt, so das OLG Karlsruhe, hätte die Beklagte aber festgestellt, daß mindestens bei einigen Servern der von ihr behauptete Löschbefehl nicht ausgeführt worden sei. Eine nähere Überprüfung habe auch deshalb nicht unterbleiben dürfen, weil die rechtswidrig verwendete Fotografie nach Darstellung der Beklagten womöglich auf mehreren Dutzend Servern gespeichert war. Deshalb entlaste sie die behauptete Kontrolle der Abrufbarkeit der Fotografie anhand der URL durch einen Mitarbeiter auch nicht. Nach Meinung des Oberlandesgerichts könne offen bleiben, ob dasselbe zu gelten hätte, wenn der Schuldner hunderte oder tausende Rechner daraufhin überprüfen müßte, ob die rechtsverletzenden Dateien auf diesen gespeichert sind, was individuell und händigt kaum zu bewerkstelligen wäre. In diesem Fall und im Hinblick auf die Bedeutung einer eher im Einzelfall übernommenen vertragsstrafenbewehrten Unterlassungsverpflichtung sei es aber zumutbar gewesen, selbst dreißig Server einzeln auf womöglich noch vorhandene verletzende Dateien zu untersuchen.

Der auf die Umfirmierung und Verschmelzung gestützte Einwand der Beklagten des Fehlens der Passivlegitimation griff ebenfalls nicht durch. Denn keine dieser Ereignisse habe etwas daran geändert, daß die Beklagte als Unterlassungsschuldnerin selbst Partnerin des Unterlassungsvertrags war. Das OLG Karlsruhe wies darauf hin, daß die Rechtspersönlichkeit der Beklagten auch durch die Verschmelzung eines anderen Unternehmens auf sie unverändert blieb.

Das OLG Karlsruhe erteilte auch dem Einwand der unwirksamen Abtretung und der Behauptung der Beklagten, M, F und V hätten ihr Ermessen bei der Bestimmung der Vertragsstrafe nicht selbst bzw. nicht sachgemäß ausgeübt, eine Absage. Es verwies auf das Forderungsschreiben von M, F und V, in denen diese die Vertragsstrafe "in Höhe von jeweils 2.500,00 EUR" festgesetzt hatten. Diese Ansprüche wurden erst nahezu ein halbes Jahr später an die Klägerin abgetreten.
Nach Meinung des OLG Karlsruhe richte sich die Beanstandung der Beklagten, M, F und V hätten ihr Ermessen nicht oder fehlerhaft ausgeübt, im Wesentlichen gegen das Fehlen einer Begründung der Ermessensentscheidung. Dieser Einwand sei aber gegenstandslos, denn da privatrechtliche Rechtsbehelfe grundsätzlich nicht motivationsbedürftig seien bestehe ohne besonderen Anhaltspunkt im Gesetz auch keine Begründungspflicht für die Ausübung leistungsbestimmender Gestaltungsrechte. Die von der Beklagten herangezogenen Fälle würden durchweg aus dem Bereich des Arbeitsrechts stammen und seien daher nicht verallgemeinerungsfähig. Aber auch wenn den Erklärenden ausnahmsweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Pflicht treffen sollte, den anderen Teil über die Gründe seines Vorgehens zu unterrichten, so könne eine Verletzung dieser Pflicht allein eine Schadensersatzverpflichtung nach sich ziehen.
Unerheblich sei auch, daß die Ermessensausübung wird bei mehreren Anspruchsinhabern koordiniert erfolgt. Es sei, so das Oberlandesgericht, daher auch unerheblich, wenn M, F und V sich aufgrund gemeinsamer Beratung zu einem einheitlichen Vorgehen entschlossen hätten.
Erfolglos blieb auch die Beanstandung der Beklagten, daß die Höhe der Vertragsstrafe jedenfalls unangemessen sei und nur eine Vertragsstrafe verlangt werden könne. Das Oberlandesgericht verwies darauf, daß die Gerichte bei der Überprüfung von Vertragsstrafen auf eine Ergebniskontrolle - Unbilligkeit - beschränkt seien, und daß die Begründung des Landgerichts Mannheim, weshalb die geltend gemachte Vertragsstrafe in Höhe von jeweils EUR 2.500,00 im vorliegenden Fall jedenfalls nicht unbillig erscheine. Mangels erkennbarer Rechtsfehler sei diese Bewertung hinzunehmen.
Der Sache handele es drei selbständige Ansprüche, die nach der von der Beklagten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung drei unterschiedlichen Gläubigern zustanden. Diese durch spätere Abtretungsvereinbarung einzeln und gem. § 398 BGB wirksam an die Klägerin abgetreten.

Kommentar

Die Verteidigung der Beklagten war teilweise offensichtlich unzutreffend, betrifft teilweise aber auch wichtige Fragen.
Recht offensichtlich irrelevant waren die Einwände gegen Aktiv- und Passivlegitimation. Selbstverständlich ändert allein eine Umfirmierung oder eine Verschmelzung nichts an einer einmal eingegangenen oder entstandenen Verpflichtung. Andernfalls wäre es zu einfach, sich seinen rechtlichen Verpflichtungen zu entziehen. Auch daß die Abtretung der Vertragsstrafenforderung nach deren Begründung durch deren Festsetzung durch die F, V und M erfolgte, ist offenkundig. Diese haben ja unmittelbar nach der Feststellung, daß das Foto noch immer im Internet unter der alten URL aufrufbar war, die Vertragsstrafe festgesetzt und eingefordert, und dies nur wenige Wochen nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beklagten.

Als recht "eigenwillig" muß man das Verteidigungsbemühen der Beklagten ansehen, die nach wie vor gegebene Aufrufbar des Fotos sei keine "Nutzung" im Sinne der Unterlassungsverpflichtung. In Verbindung mit dem Hinweis auf die lange und kryptische URL zum direkten Aufruf der Fotografie muß man dies so verstehen, daß die Beklagte die frühere Rechtsprechung etwa das Landgerichts Berlin für sich nutzbar machen wollte. Denn es herrschte in der Rechtsprechung längere Zeit Unklarheit darüber, ob ein öffentliches Zugänglichmachen vorliegt, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk Lichtbild lediglich durch die Eingabe der konkreten URL aufgerufen werden konnte. Das Landgericht Berlin war noch 2007 der Auffassung, daß die bloße Bereithaltung einer Datei auf einem Server dann kein öffentliches Zugänglichmachen i.S.v. § 19a UrhG darstelle, wenn die Datei nicht in eine Webseite eingebunden wurde[3]. Es änderte seine Rechtsprechung aber im Jahr 2010. Denn ebenfalls im Jahr 2010 hatte das Hanseatische Oberlandesgericht entgegengesetzt entschieden, daß bereits die abstrakte Möglichkeit, das Werk auf einem Server abrufen zu können, für das öffentliche Zugänglichmachen genüge[4]. Maßgeblich hierfür sei die gesetzgeberische Motivation, den Urheber bereits in einem sehr frühen Stadium schützen zu wollen. Das Landgerichts Berlin änderte darauf seine Auffassung und schloß sich der Meinung des Hanseatischen Oberlandesgerichts an[5].

Auch wenn man mit dem Argument, daß kein Nutzer eine solche URL auswendig kenne, nicht mehr punkten kann, und die Sache ausdiskutiert erscheint, bleibt doch ein ungutes Gefühl zurück. Es kann Konstellationen geben, in denen zwar die ursprünglich bekannten bzw. auffindbaren und aufgefundene Kopien des Werks gelöscht wurden, aber andere Kopien an anderer Stelle noch vorhanden sind, die bislang nicht erkannt wurden und nur durch einen Zufall, nicht aber durch eine reguläre Suche, festgestellt werden. In Verbindung mit ausufernden Sorgfaltspflichten, wie die vorliegende Entscheidung durchaus ein Beispiel bietet, kann dies zu einer unangemessen Haftung führen. Die Gerichte sollten nicht aus dem Blick verlieren, daß all diese Nutzungs- und Verwertungsregeln des Gesetzes das Ziel haben, den Urheber bzw. sonstwie Berechtigten an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werks partizipieren zu lassen - oder diese zu untersagen. Wenn sich im Einzelfall aber zeigt, daß diese Rechtsbeeinträchtigung "eigentlich" nicht erfolgt, also die Rechtsposition des Urhebers eher nur formaler Art ist, sollte man bei der Einforderung von Vertragsstrafenansprüchen den Gedanken an eine unzulässige Rechtsausübung nicht a priori von sich weisen. Hierbei sollte auch beachtet werden, daß z.B. über den google-chache oder das Internet-"Archiv" (Wayback Machine) unter www.archive.org die beanstandeten Dateien noch verfügbar sein können. Auf diese hat der Abgemahnte keinen Einfluß und man kann es durchaus bezweifeln, daß eine Vertragsstrafe verwirkt sein kann, wenn in einem solchen Fall das betreffende Werk zusätzlich auch noch über diese Archive aufrufbar ist.

Als Schuldner einer solchen Unterlassungserklärung ist es sicherlich nicht falsch, sich Gedanken über die Beschreibung der zu unterlassenden Handlung machen, nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt, daß auch das Löschen der beanstandeten Dateien von den eigenen Servern nicht unbedingt etwas an der Aufrufbarkeit durch etwa den google-cache oder das Internet-"Archiv" ändert. Hierzu zählt auch die Frage der Festsetzung der Vertragsstrafe. Läßt man sich auf eine Festsetzung durch den Verletzten ein, so sollte man nicht aus den Augen verlieren, daß dessen Festsetzung nur sehr eingeschränkt gerichtlich überprüft werden kann und man damit rechnen muß, daß die Gerichte zugunsten des Verletzten die Grenze zur Unbilligkeit eher weit ziehen werden.

Ein wesentlicher Aspekt dieser Entscheidung liegt auch in der Beurteilung der Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung. Fälle von vorsätzlichem Verstoßes gegen die strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung sind die große Ausnahme; regelmäßig bemüht sich derjenige, der eine Unterlassungsverpflichtung akzeptiert, auch darum, dieser nachzukommen.
Aus der Entscheidung ergibt sich leider keine Auflösung des Widerspruchs, daß die Beklagte durch einen Mitarbeiter überprüft haben will, daß das beanstandete Foto unter der URL nicht mehr abrufbar, dies aber gleichwohl der Fall gewesen sei. Denn ungeachtet dessen, ob man dem Oberlandesgericht bei der Forderung, der Rechtsverletzer habe ein besonderes Maß an Sorgfalt zu beachten, folgen möchte, ist es keine überzogene Forderung, daß sich der Unterlassungsverpflichtete nach dem Löschungsvorgang davon überzeugt, daß die Löschung auch tatsächlich erfolgt ist. Denn die Überprüfung, ob unter der bis dahin bekannten URL die betreffende Datei noch aufgerufen werden kann, ist ausgesprochen einfach und unaufwendig. Ergibt diese einfache Überprüfung, daß die Datei noch abrufbar ist, so ist selbstverständlich, daß alle in Betracht kommenden Server einzelnen überprüft werden - und zwar völlig ohne Bedeutung, ob es "nur" 30 oder 300 Server sind. Diese Passagen des Urteils lesen sich aber so, als müsse der Unterlassungsverpflichtete aufgrund der ihm obliegenden besonderen Sorgfalt auch ohne diese Feststellung sämtliche Server darauf hin untersuchen, ob die Löschung erfolgreich war. Dies kann aber nur richtig sein, wenn das erfolgreiche Löschen nicht anderes überprüft werden kann oder eine entsprechende Überprüfung ergeben hat, daß die Löschung jedenfalls teilweise fehlgeschlagen ist. Dann aber kann es nicht darauf ankommen, ob dies 30 oder 300 Server betrifft, denn dann gilt erst das Argument, daß der Rechtsverletzer selbst diesen Zustand geschaffen hat und dafür verantwortlich ist.
Die Frage, wie dieses besondere Maß an Sorgfalt auszusehen hat, ist also dahingehend zu beantworten, daß sich der Unterlassungsverpflichtete von dem Erfolg seiner Löschungsmaßnahme zu überzeugen hat. Darauf beschränkt begegnet dieser Anforderung keinen Bedenken, zumal es unter Berücksichtigung der Einfachheit dieser Überprüfung schon selbstverständlich erscheint.

[1] Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.09.2012, 6 U 58/11, GRUR-RR 2013, 138
[2] Urteil des OLG Hamburg vom 14.03.2012, 5 U 87/09, GRUR-RR 2012, 335
[3] Urteil des LG Berlin vom 02.10.2007, 15 S 1/07, GRUR-RR 2008, 387
[4] Beschluß des OLG Hamburg vom 08.02.2010, 5 W 5/10, MMR 2010, 418
[5] Urteil des LG Berlin vom 30.03.2010, 15 O 341/09, ZUM 2010, 609

RAuN und FA IT-Recht Dr. M. Michael König / Der Autor ist Rechtsanwalt und Notar in Frankfurt am Main sowie Fachanwalt für Informationstechnologierecht
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