DR. KÖNIG & COLL.

RECHTSANWÄLTE


Abhandlung zum EDV-Recht/Gerichtsreport: Neue Gerichtsentscheidungen zum EDV-Recht

Der Erwerb von Software durch Kopieren ist ebenfalls Sachkauf

von RA Dr. M. Michael König

Die juristische Behandlung von Computerprogrammen ist nach wie vor nicht endgültig geklärt, und zwar auf allen Rechtsgebieten. Sogar im Urheber- und Patentrecht, in denen Computerprogramme immerhin ausdrücklich in den Gesetzen genannt sind, mehren sich die Stimmen, die den Schutz von Programmen durch das Urheberrechtsgesetz (UrhG) für unpraktikabel und unpassend und auf der anderen Seite die ausdrückliche Ausnahme von Computerprogrammen "als solchen" aus dem Patentschutz für verfehlt erachten. Während sich dies im Urheberrecht in Urteilen ausdrückt, die den begehrten Schutz von Programmen an der Nichtfeststellbarkeit der erforderlichen schöpferischen Gestaltungshöhe scheitern lassen (lesenswert: OLG Hamm v.27.4.89, Aktenzeichen 4 U 196/86, in Computer und Recht 1989 S.592), stellt das Bundespatentgericht (BPatG) zu Recht auf die Eigenschaft von Programmen als technisches Steuerungsmittel maschineller Vorgänge ab (BPatG v.25.7.88, Aktenzeichen 19 W (pat) 93/87, Computer und Recht 1989 S.377).

Während im Steuerrecht der Bundesfinanzhof (BFH) nunmehr alle Computerprogramme und sogar maschinenlesbare Datensammlungen als immaterielle Wirtschaftsgüter ansieht - letztere wegen der Möglichkeit des einfachen Sortierens und Änderns - (BFH v.2.9.88, Aktenzeichen III R 38/84, Bundessteuerblatt 1989 Teil II S.160), zeigt sich im Zivilrecht erfreulicherweise die - entgegengesetzte - Tendenz, Computerprogramme als körperliche Gegenstände und damit Sachen iSd § 90 BGB zu qualifizieren. Obwohl diese Auffassung erst seit relativ kurzer Zeit in der juristischen Literatur diskutiert wird, ist sie doch nicht neu, denn schon 1985 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer bedauerlicherweise weithin unbekannt gebliebenen - oder ignorierten ? - Entscheidung festgestellt, daß Datenverarbeitungsprogramme in jeder Form Verkörperungen der geistigen Leistung und damit Sachen darstellten, die in vervielfältigter Form Gegenstand des Handelsverkehr sein könnten, und auf deren unmittelbaren körperlichen Besitz es dem Erwerber auch für die Benutzung ankomme. Auf die besondere warenzeichenrechtliche Problematik dieser Entscheidung - zu beurteilen war, ob Computerprogramme Waren iSd Warenzeichengesetz darstellen - kann hier nicht weiter eingegangen werden (BGH v.2.5.85, Aktenzeichen I ZB 8/84, GRUR 1985 S.1055). In einer neueren Entscheidung hat sich der BGH bei "verkaufsweiser" Programmüberlassung für die Anwendung des Kaufvertragsrechts (§§ 433ff BGB) und zumindest entsprechender Anwendung des Sachmängelgewährleistungsrechts (§§ 459ff BGB) ausgesprochen, wobei er den Kaufgegenstand als einen "Datenträger mit dem darin verkörperten Programm, insofern also eine körperliche Sache" unter Bezugnahme auf die vorerwähnte Entscheidung aus dem Jahre 1985 bezeichnete (BGH v.4.11.87, Aktenzeichen ZR 314/86, Neue Juristische Wochenschrift 1988 S.406). Infolge des "insofern" bleibt die Qualifizierung von Programmen als Sachen freilich hinter der in dieser Entscheidung zurück.

Diese Rechtsprechung findet bei der Gestaltung von Verträgen allerdings kaum Berücksichtigung, denn nach wie vor wird die von einem führenden EDV-Unternehmen begründete Terminologie der "Lizenzierung von Nutzungsrechten" verwendet und munter Vertragsgestaltungen geschaffen, die der Sacheigenschaft von Programmen nicht Rechnung tragen. Die Behandlung von Computerprogramme als "immaterielle Güter" ist natürlich für die Software-Industrie von Vorteil, können doch hierbei dem Anwender vertragliche Regelungen aufgezwungen werden, die bei Annahme eines Sachkaufs schlichtweg unwirksam wären. Zugleich erfolgt jedoch auch eine Indoktrination des Anwenders, denn der Verfasser hat schon erlebt, daß diese bei Vertragsentwürfen hinsichtlich des Erwerbs von Computerprogrammen das Fehlen "üblicher" Lizenzregelungen beanstandeten.
Dabei darf die Bedeutung der Qualifizierung von Computerprogrammen als Sachen nicht unterschätzt werden: Sämtliche das Vorliegen von Sachen voraussetzende gesetzlichen Regelungen wären bzw. sind anwendbar. Als Beispiel seien nur die Regeln des Sachmängelgewährleistungsrechts genannt, die unmittelbar Anwendung finden, ohne daß die Angemessenheit der betreffenden Regeln im Einzelfall gerichtlich geprüft und festgestellt werden müßte. Dies kann z.B. für die Frage der Verjährung der Gewährleistungsvorschriften - 6 Monate - oder die Relevanz der von Programmherstellern oft verwendete Ausrede, Computerprogramme könnten eo ipso nicht fehlerfrei sein, erheblicher Bedeutung haben.

Ein neues, nicht rechtskräftiges und damit dem BGH zur endgültigen Entscheidung vorliegendes Urteil des OLG Stuttgart (OLG Stuttgart v.8.11.88, Aktenzeichen 6 U 135/87, Computer und Recht 1989 S.692) kann hier einen Durchbruch bewirken; es bedarf keiner großartigen prophetischen Begabung um es für wahrscheinlich zu halten, daß der BGH in Fortführung seiner neueren Rechtsprechung die Entscheidung des OLG Stuttgart bestätigen wird.

Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt ist einfach:
A erwarb von B ein Lohnbuchhaltungsprogramm. Die Lieferung erfolgte nicht durch Übersendung bzw. Übergabe einer Diskette, sondern indem B eine Festplatte mit dem betreffenden Programm zu A brachte, dort das Programm - wohl nach vorübergehendem Einbau seiner Festplatte - auf die Festplatte des A überspielte und seine Festplatte wieder mitnahm. Die "Nutzungsgebühr" von DM 18.000,- sollte zur Zahlungserleichterung in 36 Monatsraten gezahlt werden. Eine Belehrung über ein Widerrufsrecht erfolgte nicht.
Da A wegen angeblicher Programmängel nach drei Raten die Zahlungen einstellte und den Widerruf erklärte, machte B u.a. die restlichen Raten klageweise geltend.
Das erstinstanzlich entscheidende Landgericht gab der Klage wegen Verjährung etwaiger Gewährleistungsansprüche und Nichtanwendbarkeit des Abzahlungsgesetzes mangels Vorliegens einer beweglichen Sache im wesentlichen statt. Die Berufung des A hatte - soweit es hier interessiert, nämlich hinsichtlich der Anwendbarkeit des Abzahlungsgesetzes - Erfolg.

Das OLG Stuttgart hat zunächst festgestellt, daß ein Kaufvertrag vorlag, denn A sollte das Programm nach vollständiger Zahlung der "Nutzungsgebühr", die nicht zur Abgeltung von Nutzungsperioden diente, behalten dürfen. Dies entspricht sowohl der vorerwähnten Auffassung des BGH als auch der mittlerweile wohl einhelligen instanzgerichtlichen Rechtsprechung.

Da auch eine Teilzahlungsabrede vorlag, kam es entscheidend darauf an, ob hier eine bewegliche Sachen übergeben wurde. Diese Frage beinhaltet zugleich zwei Probleme, nämlich das der Sacheigenschaft von Programmen und die Frage, ob sich das Kopieren eines Programms mit der Übergabe einer Sache vergleichen läßt.
Das OLG stellte mit anerkennenswerter Souveränität, die darauf schließen läßt, daß die erkennenden Richter ihr Wissen nicht aus dritter Hand, nämlich aus technisch meist unzutreffenden Fachaufsätzen von Juristen, sondern durch eigene, praktische Beschäftigung mit der Materie gewonnen haben, fest, daß Software eine "höchst bewegliche" Sache darstelle, wobei es nicht darauf ankommen soll, "ob nach rein physikalischer Sicht die Magnetisierung selbst - also das eigentliche Programm - körperlich" sei, sondern maßgeblich das praktische Verständnis von Programmen als einer Sache sei.
Auch wenn das OLG seine Entscheidung nicht unmittelbar darauf gestützt hat, kann man die - für einen Techniker freilich banale - Feststellung, daß das Programm aus der Magnetisierung besteht und damit körperlich ist, nicht hoch genug bewerten, wird doch in der juristischen Literatur die Bedeutung der Verkörperung regelmäßig verkannt und nur als "Transportmedium" o.ä. des "immateriellen Gutes" und damit als unbeachtlich abqualifiziert.

Hinsichtlich der hier vorliegenden besonderen Form der Übergabe stellt das OLG auf den Sinn und Zweck des Abzahlungsgesetzes ab; da nur unbewegliche Sachen und Rechte hiervon nicht erfaßt werden sollen, könne es unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks des Abzahlungsgesetzes keinen Unterschied machen, ob das Programm auf Diskette geliefert und dann auf Festplatte kopiert wird, oder ob dies ohne Lieferung eines Datenträgers geschehe.
Aus technischer Sicht ist hier zu keiner Zeit die Übergabe einer Sache erfolgt. Der Vorgang des unmittelbaren Kopierens des Programms kann jedoch rechtlich nicht anders als die vorherige Übergabe eines z.B. auf Diskette verkörperten Programms bewertet werden, denn sowohl der bezweckte Erfolg als auch die von den Vertragspartnern letztendlich gewollten Verpflichtungen sind identisch. Das OLG hat daher das Abzahlungsgesetz zu Recht - entsprechend - angewandt.
Da das Abzahlungsgesetz anwendbar war, B den A jedoch nicht über dessen Widerrufsrecht belehrt hatte, konnte dieser den Vertrag unbegrenzt widerrufen. Infolge des Widerrufs schuldete A dem B jedoch eine Überlassungsvergütung.

Es darf mit Spannung die Revisionsentscheidung des BGH erwartet werden, in der dieser hoffentlich eindeutig die Frage der Sacheigenschaft von Computerprogrammen und damit der unmittelbaren Anwendbarkeit entsprechender Vorschriften klärt.

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