DR. KÖNIG & COLL.

RECHTSANWÄLTE


Gerichtsreport: Neue Gerichtsentscheidungen zum EDV-Recht

Wird im Rahmen der Gewährleistung ein Ersatzrechner geliefert, so beginnt die Gewährleistungsfrist auch für die Teile des Austauschgeräts, die noch aus dem ersten Rechner stammen, neu zu laufen.

von RA Dr. M. Michael König

Der Anwender kaufte bei dem Lieferanten einen 486DX-33 mit 256 KB Cache. Nach wenigstens vier Nachbesserungen, die jeweils verschiedene Mängel betrafen, wurde ihm ein Ersatzgerät zur Verfügung gestellt, in das allerdings auch Teile des zurückgenommenen Rechners - die Festplatte, der Controller, - eingebaut wurden. Auch wurden wieder Mängel gerügt - falscher Prozessor, falscher Cache, falsche oder fehlerhafte Videokarte -, nach deren teilweiser Nachbesserung der Anwender die Wandlung des Kaufvertrags erklärte.

Das Amtsgericht gab der Wandlungsklage statt und verurteilte des Lieferanten zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich es auf die erfolgte Nutzung des Rechners entfallene Nutzungsentschädigung. Nach Auffassung des Gerichts hatte die Lieferung eines Ersatzgeräts die Unterbrechung und somit den Neubeginn der Verjährung der Gewährleistung für den ganzen Rechner zur Folge, so daß bei Erhebung der Wandlungsklage noch keine Verjährung eingetreten war. Dem Anwender sei nach den erfolgten Nachbesserungen nicht zuzumuten gewesen, sich erneut auf eine Nachbesserung verweisen lassen müssen, so daß er aufgrund der bewiesenen und nicht beseitigten Mängel des Ersatzgeräts die Wandlung verlangen konnte. Außerdem sah es in der Feststellung des Verkäufers bei der Übergabe des Ersatzgeräts, daß der Anwender nun keine Gewährleistungsrechte mehr besitze nur die Äußerung einer - unzutreffenden - Rechtsansicht, nicht aber die Abgabe eines Angebots auf Abschluß eines entsprechenden Verzichtsvertrags. Die abzusetzende Nutzungsentschädigung errechnete das Gericht pro rata temporis auf Grundlage der voraussichtlichen Nutzungsdauer. Den infolge des Ausfalls des Rechners entgangenen Gewinn konnte der Anwender aber nicht hiervon absetzen, da das Gericht diesen Schaden nur als unmittelbaren Schaden bewertete, dessen Ersatz das Gewährleistungsrecht ausschließe.

Amtsgericht Stuttgart, Urteil vom 6.3.1995, Aktenzeichen 5 C 7614/93

Kommentar:

Ein sehr ausführliches, aber noch nicht rechtskräftiges Urteil, das sich intensiv mit den streiterheblichen Rechtsfragen auseinandersetzt. Ihm ist überwiegend zuzustimmen.

Überraschend sind jedoch die Ausführungen zu der Unterbrechung der Gewährleistungsverjährung, also dem Neubeginn der Gewährleistung. Anerkannt ist, daß eine durchgeführte Nachbesserung zu einer erneuten Gewährleistung allein bezüglich des davon betroffenen Mangels führen kann. Dies richtet sich danach, ob der Käufer die Nachbesserung als ein Anerkenntnis der Gewährleistungspflicht und des Mangels bewerten darf bzw. muß, so daß z.B. bei einer Nachbesserung aus "Kulanz" nicht immer eine Unterbrechung der Verjährung erfolgen muß. Entscheidend ist also, daß die Unterbrechung der Verjährung dogmatisch an dem Anerkenntnis bezüglich des betreffenden Mangels festgemacht wird und nicht etwa die Überlegung maßgeblich ist, daß der Verkäufer verpflichtet sein müsse, für die Fehlerfreiheit der Nachbesserung weitere sechs Monate Gewähr zu leisten.

Hinsichtlich des betroffenen Mangels führt dies zwar zu demselben Ergebnis. Auch hinsichtlich anderer Fehler ist im Falle der Nachbesserung das Weiterlaufen der alten Gewährleistungsfrist auch sachgerecht, da ja insofern keine neue "Leistung" des Lieferanten erfolgte, für die er einzustehen hätte. Interessant wird es aber - wie hier - im Falle einer Ersatzlieferung. Selbst für den - bei PC allerdings wohl meist vorliegenden - Gattungskauf, bei dem das Recht auch Ersatzlieferung ausdrücklich geregelt ist, findet sich erstaunlicherweise keine veröffentlichte einschlägige Rechtsprechung. Über das mit der Nachlieferung verbundene Anerkenntnis wird man nicht weiter kommen, denn dies bezieht sich ja nur auf die zu der Ersatzlieferung führenden Mängel. Andererseits muß man es als unbillig ansehen, wenn dem Käufer z.B. am Tag des Ablaufs der alten Gewährleistungsfrist ein völlig neuer PC übergeben wird, für dessen Mangelfreiheit der Verkäufer - mit Ausnahme des die Ersatzlieferung begründenden Mangels - nicht einzustehen hätte. Der Gedanke liegt aber nahe, daß sich die Rechtsprechung in diesem Fall mit einer stillschweigenden Verlängerung oder auch Begründung der Gewährleistung behelfen wird, denn die Parteien schließen ja ohnehin einen Vertrag über den Austausch, also die Ersetzung, der Kaufsache.

Für den vorliegenden Fall hilft dies aber auch nicht weiter, denn es handelte sich ja gerade nicht um einen völlig neuen PC. Hinsichtlich der alten Teile bestand kein schützenswertes Interesse des Käufers und überhaupt keine Veranlassung des Verkäufers, die darauf bezogene Gewährleistung zu verlängern oder neu zu begründen. Auch das Abstellen auf "untergeordnete Nebenkomponenten" überzeugt aufgrund der rechtlichen Herleitung nicht - vom Tatsächlichen her wir man z.B. eine 1-Gigabyte-Platte auch nicht als "untergeordnete Nebenkomponente" verstehen können. Sollte sich also die Wandlung auf Fehlern der Altteile begründen, so könnte man der Entscheidung nicht zustimmen.

Auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Versagung von Schadensersatz für entgangenen Gewinn nicht zu beanstanden. Allerdings wäre dies eine Gelegenheit gewesen, den in dem betreffenden BGH-Urteil zum Ausdruck kommenden Widerspruch aufzuarbeiten. Dort hat der BGH die Möglichkeit des Schadensersatzes bei "einfachen" Mängeln auf sog. Mangelfolgeschäden beschränkt, die an anderen Rechtsgütern wie z.B. Gesundheit, Leben usw. entstehen - den entgangenen Gewinn am den unmittelbar durch den Mangel entstandenen Schaden zugeordnet. Abgesehen davon, daß diese Zuordnung nicht überzeugt, denn der entgangene Gewinn wird auch nur mittelbar durch den Mangel verursacht, stellt das hiervon betroffene Vermögen ebenfalls ein anderes Rechtsgut wie Leben und Gesundheit dar.

Dieser Beitrag ist in bearbeiteter Form in cīt 3/1996 S.66 erschienen. Er gibt die Rechtslage und Meinung des Verfassers zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung der weiteren Veröffentlichung.

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