Gerichtsreport - Neue Gerichtsentscheidungen zum EDV-Recht
Ungenügende Dokumentation zu mitgelieferter Treibersoftware
von RA Dr. M. Michael König
Normalerweise rezensiere ich nur Urteile, die rechtlichen Gehalt besitzen und/oder für die
Praxis von Bedeutung sind. In diesem Fall hat mir aber ein Leser ein Urteil zur Verfügung gestellt,
daß eindrucksvoll demonstriert, was die Folge der ständigen
Rechtspflegevereinfachungsmaßnahmen der Bundesregierung in Verbindung mit dem völligen
Fehlen jedweder Sachkenntnisse der Gerichte ist.
Der aus den Schriftsätzen zu entnehmende Sachverhalt ist simpel: Der Kläger hat eine 850MB-
IDE-Festplatte gekauft. Der Festplatte lag die zum Betreib einer IDE-Festplatte mit einem älteren
BIOS erforderliche Treibersoftware "EZ-Drive" bei. Bedauerlicherweise war dieser Software kein
Handbuch sondern nur eine äußerst kurze englischsprachige Kurzdokumentation mitgeliefert, so
daß der Kläger Software und Festplatte nicht korrekt installieren konnte. Seinem Wunsch auf
Nachlieferung der - i.ü. vom Hersteller lieferbaren - Dokumentation wurde nicht entsprochen, so
daß er Klage auf Wandlung, d.h. Rückgängimachung des Kaufs, einreichen ließ.
Seine Klage wurde abgewiesen. Nachfolgend der Text des Urteils im Original-Wortlaut.
Weggelassen habe ich nur die hier unwesentlichen Formalien und Einleitungen.
"Das Wandlungsbegehren des Klägers ist insgesamt unbegründet, da eine Fehlerhaftigkeit
der gelieferten Sache nicht vorliegt. Insbesondere hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt, daß die
Beklagte ihre kaufvertraglichen Leistungspflichten insoweit fehlerhaft erfüllt habe, weil sie keine
"textlichen Unterlagen", insbesondere kein deutschsprachiges Handbuch beigegeben habe.
Es ist unzutreffend, wenn der Kläger pauschal geltend macht, die Lieferung eines
deutschsprachigen Handbuches gehöre zu den Hauptpflichten des Softwareverkäufers. Abgesehen
davon, daß eine Festplatte nicht ein Softwareprodukt ist, trifft dies in dieser Allgemeinheit nicht
zu. Rechtlich maßgeblich ist vielmehr, was die Parteien beim Vertragsschluß vereinbart haben. Es
liegt auf der Hand, daß keinesfalls bei jedwedem Computerartikel ein Hand buch zwangsläufig
dazugeliefert werden muß. Die Beklagte hat vorliegend unbestritten vorgetragen, daß der Kläger
beim Kauf der Gegenstände nach der Kompatibilität oder Beschreibung des von ihm vorgesehenen
Einsatzes der Festplatte nicht nachgefragt hat. Auf entsprechende Nachfrage ist ihm lediglich das
Einbaukit und ein Stromversorgungskabel mitverkauft worden. Wie sich auch aus dem
Schriftverkehr der Parteien ergibt, hat der Kläger nicht etwa sofort das Fehlen irgendwelcher
weiter benötigter "textlicher Unterlagen" beanstandet, sondern erst nach Installation der Festplatte
bei dem Betrieb seines Rechners entsprechende Mängel, die er nunmehr zur Grundlage
weitergehender Forderungen macht, festgestellt.
Dies läuft jedoch im Ergebnis auf eine Ausweitung der vertraglichen Verpflichtungen der
Beklagten hinaus, die vertragsrechtlich nicht geboten waren.
Es ist im übrigen gerichtsbekannt, daß in vielen Fällen, in denen Computerbetreiber ihre
Betriebssysteme durch Einzelbausteine nachrüsten, keinesfalls regelmäßig textliche
Dokumentationen von den Käufern mitgeliefert werden. Das Risiko eines Einbaus trägt der
Käufer, wenn dieser nicht beim Abschluß des Kaufvertrags eine anderweitige vertragliche
Grundlage schafft."
Das Urteil spricht für sich. Hervorzuheben ist, daß der Kläger einen c't-Artikel, in dem die
Erforderlichkeit dieser Treibersoftware erläutert war (s. c't 8/95 S.164), beigefügt hatte. Außerdem hat er ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ohne ein entsprechendes Handbuch eine korrekte Installation der Software und der Festplatte nicht möglich sei und daß der Hersteller von EZ-Drive
selbst diese Dokumentation mit ausliefere. I.ü. bezog er sich auf die bekannte Rechtsprechung, daß
zu Software Handbücher mitzuliefern seien (s. c't 2/92 S.54) Der Beklagte beschränkte sich auf den Hinweis, daß der Kläger die Festplatte ohne weitere Erkundigungen nach der Kompatibilität
oder Hinweise auf den Einsatzzweck erworben habe und er keine Software sondern eine Festpatte
verkauft habe.
Das Gericht hat ignoriert, daß die Festplatte allein nicht sinnvoll eingesetzt werden kann
sondern einen Treiber benötigt - wie sich auch aus dem Umstand zeigt, daß der Treiber
mitgeliefert wurde. Zählt die Treibersoftware aber zum erforderlichen Lieferumfang, so ist
selbstverständlich auch die vom Kläger zitierte Rechtsprechung einschlägig. Hiervon abgesehen
unterscheidet die Rechtsprechung selbstverständlich insofern nicht zwischen Software und
Hardware; so hat der Bundesgerichtshof schon in seinem Urteil vom 5.7.1989 (Az. VIII ZR
334/88, veröffentlicht in NJW 1989 S.3222) die Pflicht zur Lieferung einer deutschsprachigen
Bedienungsanleitung zur Hardware bejaht (weitere Fundstellen in c't 2/92 S.54). Da die
instanzgerichtlichen Urteile teilweise noch älter sind, handelt sich nicht eben um eine besonders
neue Rechtsprechung.
Das Amtsgericht ignoriert also ferner, daß keineswegs eine vertragliche Vereinbarung über die
Lieferung einer Bedienungsanleitung erforderlich ist. Ein weiterer Kommentar hierzu verbietet
sich.
Zuzustimmen ist dem Amtsgericht aber insoweit, daß in der Tat nicht jeder Computerartikel
erklärungsbedürftig ist. So ist durchaus vorstellbar, daß Disketten auch ohne Gebrauchsanweisung
richtig benutzt werden können. Allerdings müßte hier bereits die Grenze zu ziehen sein. Ebenfalls
willkürlich ist das Abstellen auf das Fehlen von Nachfragen beim Kauf oder gar das Nichtmitteilen
des Verwendungszwecks. Für welchen Zweck kauft man wohl eine IDE-PC- Festplatte? Mit
dieser "Begründung" müßte auch der Käufer eines PKW beimKauf darauf hinweisen, daß erd amit
auf Straßen fahren möchte - oder gar eine entsprechende Zusicherung verlangen. Auch hier
verbietet sich jeder weitere Kommentar.
Gleiches gilt für den "Vorwurf". daß sich der Kläger erst beschwert hatte, als eine korrekte
Installation nicht möglich war. Vorher konnte er doch überhaupt nicht erkennen, daß er auf die
Dokumentation angewiesen war.
Ebenfalls ein "Schlag ins Kontor" ist die abschließende Behauptung eines "gerichtsbekannten"
Umstands. Abgesehen davon, daß die Behauptung, daß "in vielen Fällen keinesfalls regelmäßig"
Handbücher geliefert werden, nur bedeutet, daß manchmal kein Handbuch geliefert wird und
insofern schon inhaltlich kein Argument darstellt, zieht der Richter hierbei ein ausweislich der
einschlägigen Rechtsprechung klar vertragswidriges Verhalten mancher Lieferanten zur
Rechtfertigung eines ebenfalls vertragswidriges Verhalten des Beklagten heran. Schließlich belegt
die ganze Formulierung, daß wohl überhaupt nichts gerichtsbekannt ist - zumindest nicht in Form
eines korrekten Verständnisses - denn das "Nachrüsten" der "Betriebssysteme durch
Einzelbausteine" hat mit dem vorliegenden Fall ersichtlich keine Verbindung.
Richtig ist zwar, daß der Käufer für die korrekte Installation verantwortlich ist - dies aber nur,
wenn die Kaufsache so beschaffen ist, daß sie korrekt installiert werden kann. Andernfalls müßte
der Richter auch den Käufer eines PKW- Dachgepäckträgers im Regen stehen lassen, wenn der
Verkäufer weder eine Montageanleitung noch die erforderlichen Schrauben pp. mitliefert.
Abschließend noch der Hinweis, daß das Urteil nichts rechtsmittelfähig ist. Da die Justiz als
dritte Gewalt trotz drastisch gestiegener Gerichtskosten angeblich zuviel kostet (tatsächlich beträgt
der Anteil der Justiz insgesamt - also einschließlich der höchst defizitären Sozial-, Verwaltungs-,
Arbeits - und Strafgerichtsbarkeit - an den Staatsausgaben höchstens 1% !) sind Urteile bis DM
1.500,- Streitwert nicht berufungsfähig und können bis zu einem Wert von DM 1.200,- im sog.
vereinfachten Verfahren (böse Zungen behaupten auch: nach Belieben des Richters) ergehen (nach
dem in Vorbereitung befindlichen neuen "Rechtspflegevereinfachungsgesetz" werden diese
Grenzen steigen). Verfassungsbeschwerden haben erfahrungsgemäß praktisch keine Aussicht auf Erfolg, da es regelmäßig an der "grundsätzlichen Bedeutung" oder "erheblichen Beeinträchtigung" fehlt. Offenbar meint unsere Regierung, daß man (nicht nur) in diesem "geringwertigen" Bereichen selbst gröbste Fehlurteile hinnehmen muß - minimae non curat praetor.
Dieser Beitrag ist in bearbeiteter Form in c´t 6/96 S.48 erschienen. Er gibt die Rechtslage und Meinung des Verfassers zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung der weiteren Veröffentlichung.