DR. KÖNIG & COLL.

RECHTSANWÄLTE


Abhandlung zum EDV-Recht

Verkauf von OEM-Produkten an den Endverbraucher (Katze im Sack)

von RA Dr. M. Michael König

Der Bericht über verkappte OEM-Produkte aus c't 7/96 S.24 berührt eine juristisch sehr interessante, leider aber auch wenig "griffige" Materie, die nicht mit wenigen Worten oder eindeutig beurteilbar ist.

Betrachtet man nur die Fallkonstellation, daß der Händler eine bestimmte Markenplatte angeboten hat, so wird die Lieferung eines OEM-Produkts zumindest dann Gewährleistungsan- sprüche auslösen, wenn die Platte nicht ordnungsgemäß funktioniert. Diese Feststellung ist zwar banal, dafür aber auch gesichert. Wenn die verkappte OEM-Platte also an bestimmten Rechnern oder Rechnertypen nicht läuft an dem sie laufen sollte, so liegt offensichtlich ein Fehler vor. Hier stellt sich nur das übliche Problem des Nachweises des Nicht- oder Fehlfunktionierens. Als Fehler würde ich hier auch signifikante Abweichungen von veröffentlichten Benchmarks ansehen. Letztlich wird im Falle eines Prozesses das Gericht hier aber allein dem Votum eines Sachverständigen folgen.

Wesentlich problematischer ist aber die Frage, ob der Käufer, bei dem die Platte anscheinend fehlerfrei funktioniert, mit dem Argument den Kaufvertrag wandeln kann, daß die Festplatte aufgrund ihrer Eigenschaft als nicht akzeptiertes OEM-Produkt nicht die Eigenschaften der "originalen" Platte aufweist und somit ihre "Ist"-Beschaffenheit von der "Soll"- Beschaffenheit gemäß der Anzeige des Händler bzw. üblichen Produktbeschreibung abweicht. Zwar kann in diesem speziellen Fall, daß der OEM die Festplatten aufgrund des Nichteinhaltens seiner Qualitätsvorschriften nicht angenommen hat, gerade dies für die Annahme sprechen, daß die Festplatten von minderer Qualität sind. Allerdings wäre auch vorstellbar, daß der OEM besonders hohe Anforderungen besitzt, die über das normale Qualitätsniveau des Herstellers hinausgeht oder aber gerade nur ein Feature betroffen ist, das die normale Version der Festplatte überhaupt nicht aufweist. Da auch ein Sachverständiger normalerweise nicht über weitergehende Erkenntnisquellen verfügt, steht zu vermuten, da eine entsprechende Wandlungsklage mangels konkreten Vortrags von Fehlern und deren Nachweis erfolglos sein würde.

Ein anderer Ansatzpunkt könnte aber erfolgversprechender sein, nämlich der Verkauf einer OEM-Version als solcher. Man wird als gesicherte Erkenntnis ansehen können, daß OEM-Ver- sionen eines Produkts von der Normalausführung in irgendeiner Hinsicht abweicht. Üblicherweise kann der Anwender nicht erfahren, worin diese Abweichung begründet ist. Er ist also diesbezüglich einer erheblichen Unsicherheit ausgesetzt, die nicht bestehen würde, wenn ihm - wie vereinbart - die Normalausführung mit "garantierten" Spezifikationen ausgeliefert worden wäre. Da sich diese Unsicherheit auch als drastisch verkürzte Lebensdauer oder Datenverluste auswirken kann, erscheint mir die Lieferung einer OEM-Platte als fehlerhaft. Hinzu kommt noch, daß zumindest in dem beschriebenen Fall der Hersteller nicht die übliche 5-Jahres-Garantie bietet, der Käufer also eine definitive gravierende Benachteiligung erleidet (zum Unterschied zwischen der Gewährleistung des Verkäufers und einer freiwilligen Garantie des Lieferanten demächst mehr).
Leider ist auch dies nicht so klar und sicher, wie es wünschenswert wäre. So kann man die Lieferung einer OEM-Platte auch als Lieferung eines sog. aliud - damit wird etwas andres als die Kaufsache bezeichnet - ansehen. So würde die Lieferung eines PC anstelle eines Monitors die Lieferung eines aliud darstellen, so daß keine Mangel vorliegen würde sondern schlichte Nichterfüllung. Dies hat nicht nur zur Folge, daß der Käufer weiterhin Erfüllung des Kaufvertrags verlangen kann; er kann sogar nach weiteren Maßnahmen Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, was im Gewährleistungsrecht grundsätzlich nicht möglich ist. Schwieriger wird die Beurteilung, ob ein aliud vorliegt, wenn anstelle eines 17"-Sony-Monitors ein 14"-No-Name-Monitor geliefert wird. Ich möchte nicht ausschließen, daß manches Gericht ein aliud mit der Begründung verneint, daß auch ein anderer Monitor zuallerst einmal ein Monitor sei. Noch kniffliger wird es, wenn es sich um fast identische Produkte mit nur gerin- gen Unterschieden handelt - etwa die beiden 15"-Monitor von Sony. Es ist daher verständlich, daß für die Frage, ob die Lieferung einer OEM-Ausführung eines Produkts mit derselben Typenbezeichnung ein aliud darstellt, keine definitive Beurteilung möglich ist.

Damit haben wir erkannt, daß bei Lieferung einer OEM-Version anstelle der bestellten "Normal"-Version eines Produkts wohl Ansprüche - gleich welcher Art - bestehen. Nur - woher wissen wir, was bestellt wurde? Oder juristisch formuliert: Nach welchen Kriterien richtet sich die Soll-Beschaffenheit bzw. die Gattungsdefinition?
Keine Probleme haben wir, wenn der Händler nicht auf die OEM-Eigenschaft hinweist. Dann genügt die Produkbeschreibung bzw. -bezeichnung um deren bekannten oder vom Lieferant in Prospekten etc. beschriebenen Eigenschaften bzw. die Eigenschaft, ein solches Original- Produkt zu sein, als Maßstab heranziehen zu können. Was aber, wenn in seiner Anzeige bzw. beim Verkaufsgespräch in irgendeiner Form auf "OEM"-Ware hingewiesen wird? Ich habe schon Zweifel, ob sehr viele Juristen mit diesem Begriff etwas anzufangen wissen - er gehört eben nicht zum täglichen Umgang und ist m.E. auch nur im EDV-Bereich etwas in das Bewußtsein des Endverbrauchers gerückt. Allerdings geht dieses Wissen m.E. nicht so weit, daß man bei jedem Käufer von EDV-Hardware unterstellen kann, daß der die Bedeutung der Abkürzung "OEM" kennt oder kennen müßte.
Die konkrete Frage lautet also, ob der Käufer aus einem Hinweis auf OEM-Ware entnehmen mußte, daß es sich um Produkte mit abweichenden Spezifikationen handelt, für die der Her- steller nicht die ansonsten übliche Garantie gewährt. Diese Frage läßt sich einigermaßen verläßlich nur durch eine Umfrage beantworten. Allerdings kann man davon ausgehen, daß im Falle eines Prozesses ein entsprechendes Wissen des Richters dazu führen wird, daß auch von einem entsprechenden Wissen in der Bevölkerung ausgegangen wird. Anderseits muß aber die entsprechende Unkenntnis des Richters nicht zur gegenteiligen Beurteilung führen, denn wenn ein hierzu befragter technischer Sachverständige ein entsprechendes allgemeines Wissen behauptet, so wird das Gericht im aller Erfahrung nach sicherlich auch ungeachtet des Einwands folgen, daß ein technischer Sachverständiger für vieles, keinesfalls aber für das Bestehen von Kenntnissen in der Bevölkerung kompetent ist - denn andernfalls hätte das Gericht dem Sachverständigen nicht aufgegeben, sich hierzu zu äußern.

Es besteht also durchaus Grund zu der Annahme, daß der Käufer vom Händler Lieferung eines "originalen" Produkts oder Rückgängigmachung des Kaufs verlangen kann, wenn er einem OEM-Produkt aufgesessen ist. Dies kann aber nicht genügen, denn es sind Situationen denkbar, in denen diese Möglichkeiten nicht gegeben sind - etwa bei Konkurs des Händler, nach Ablauf der Gewährleistungsfrist oder beim Verlorengehen eines entsprechenden Prozesses. Dann stellt sich die Frage, ob man nicht unter bestimmten Umständen von dem Lieferanten die ansonsten immer gewährte Garantie beanspruchen kann.

Ich kann an dieser Stelle nicht die recht komplexe Thematik der Garantie aufrollen; dies erfolgt in einem gesonderten Beitrag. Geht man aber davon aus, daß durch die Zusage in einem Prospekt ein Garantievertrag zwischen Hersteller und Endverbraucher zustandekommt, so kann sich der Hersteller wohl nicht darauf berufen, daß das Produkt entgegen seiner Anweisung unter seiner originalen Produktbezeichnung verkauft wird. Er hat es in der Hand, dies durch entsprechende tatsächliche Maßnahmen zu verhindern, so daß auch ein vertragsuntreuer Aufkäufer nicht damit durchkommt, die eindeutig gekennzeichneten OEM-Produkte als Original-Ware an andere Händler zu vertreiben. Würde man hingegen einem sog. Vertrag zugunsten Dritter - also einem Vertrag zwischen Hersteller und Händler, aus dem der Kunde das Garantierecht ableiten kann - den Vorzug geben, so würde mangels einer entsprechenden Vereinbarung schon in der ersten Ebene (zwischen Hersteller und Großabnehmer) dem Käufer keine Garantie zustehen. Allerdings sehe ich hier einen Vertrag zugunsten Dritter nicht als einschlägig an, denn üblicherweise erfolgt die Garantiezusage des Herstellers in der Werbung sowie in entsprechenden Garantiescheinen, die der Ware beiliegen und sich an den Endkunden wenden.
Erhält der Käufer also mit dem OEM-Produkt eine Garantiekarte des Herstellers, so wird dieser Garantie leisten müssen. Fehlt diese, so kann man nur versuchen, den Herstellers auf die Garantiezusage in der Werbung festzunageln und die Möglichkeit, die OEM-Ware als Original- Produkt in Verkehr zu bringen, als seine Verantwortung zu belegen.

Wenn sich der Hersteller aber standhaft weigert, die versprochene Garantie zu leisten, und eine Klage in den USA oder in Korea oder zumindest die Vollstreckung des Urteils dort nicht erstrebenswert erscheint, kann man versuchen, einen vorlauten Verkäufer haftbar zu machen, wenn diese auf die Frage nach der Garantie eine bestimmte Auskunft gegeben hat. Natürlich weiß ich, daß auch der Händler kein Hellseher ist und nicht unbedingt wissen muß, daß er nur ein OEM- Produkt anbietet. Wenn er aber auf die offensichtlich kaufentscheidende Frage nach der Garantie eine sich letztlich als falsch entpuppende Auskunft erteilt, so handelt es sich im eine Verletzung von Vertragspflichten, die zum Schadensersatz verpflichtet. Eine Ausnahme ist nur dann denkbar, wenn er nachweisen kann, daß er auch bei einer Kontrolle Ware nicht erkennen konnte, daß es sich nicht um die Original- Ware handelte.

Bleiben wir noch kurz beim Händler: Die Frage, an wen er sich halten kann, richtet sich nach den mit seinem Lieferanten getroffenen Vereinbarungen. Vorbehaltlich anderslautender Vereinbarungen kann er gegenüber diesem ebenfalls Gewährleistungsansprüche geltend machen. Allerdings könnte diesen entgegenstehen, wenn er die Ware nicht nach Erhalt überprüft hat und dabei die Abweichungen feststellbar gewesen wären. Eine Inanspruchnahme der Garantie scheidet m.E. aus, da sich diese an die Endverbraucher und nicht die Zwi- schenhändler richtet. Zwar wäre der Händler garantieberechtigt, wenn er aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Hersteller dessen Garantie gegenüber den Kunden erbringen würde. Dies ist aber zum einen eine Frage entsprechender Vereinbarungen und zum anderen in diesem Bereich eher die Ausnahme.

Fazit: Der Kauf von OEM-Ware ist auch rechtlich ein gewagtes Unternehmen - man sollte sich dies gut überlegen. Wer OEM- Ware aber ohne entsprechende Kenntnis verkauft kann durchaus darauf hoffen, aus diesem Geschäft wieder herauszukommen - wenngleich entsprechende Prozesse noch risikoreicher sind als normale EDV-Streitigkeiten.

Dieser Beitrag ist in bearbeiteter Form in cīt 8/1996 S. erschienen. Er gibt die Rechtslage und Meinung des Verfassers zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung der weiteren Veröffentlichung.

Homepage | Kanzlei | Anwälte | Tätigkeitsfelder | Aktuell | Publikationen | Links

© 1996 by RA Dr. M. Michael König | Dr. König & Coll. | Kontakt

Revisit this page