Abhandlung zum EDV-Recht
Das Computerprogramm im Recht
von RA Dr. M. Michael König
B. Technische Grundlagen, Begriffe und Definitionen
Weit mehr noch als die ungefähre Kenntnis der geschichtlichen Entwicklung der
Datenverarbeitung ist für eine sachgerechte juristische Erfassung erforderlich, die einschlägigen
Fachtermini zu beherrschen und dadurch eine ungefähre Kenntnis von Aufbau, Wirkungsweise
und inneren Vorgängen zu erlangen. Auch hier kommt es nicht darauf an, die technischen
Vorgänge bis in das kleinste Detail zu verstehen, sondern ein laienhaftes Verständnis zu
entwickeln, wie es auch einem durchschnittlichen Autofahrer möglich ist, die prinzipielle
Arbeitsweise seines Gefährts zu begreifen. Freilich kann sich dieses Verständnis infolge der
Komplexität der Materie nicht auf wenige Ausschnitte beschränken, sondern muß das gesamte
Gebiet der EDV umfassen. Andernfalls besteht die Gefahr von Fehlschlüssen[1], wie z.B. aus
der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eindrucksvoll ersichtlich:
Der Bundesfinanzhof versteht die teilweise verwendete Definition, Programme enthielten
Anweisungen und Befehle an eine Maschine, wie diese ein Problem im einzelnen zu lösen
habe[2], wohl in dem Sinne, daß der Rechner das Problem durch die gegebenen Anweisungen
erkenne, diese reflektiere und das Problem aus eigener Erkenntnis löse. Demzufolge bezeichnet
er Programme als geistige Werkzeuge und "künstliche Intelligenz", wobei er Programme mit
Datenträgern gleichsetzt, die lediglich Daten enthalten und Datenbestände speichern[3].
Hierauf aufbauend bezeichnet er in Verkennung der grundlegenden Termini schließlich reine
Datensammlungen als "Datenprogramme", die er in einer Folgeentscheidung sogar in
"Datenprogramme" und reine "Buchstabenprogramme" unterteilen will, wobei Erstgenannte
wegen der Vorteile der Maschinenlesbarkeit ebenfalls immaterielle Wirtschaftsgüter darstellen
sollen[4].
Als anderes Beispiel seien die literarisch zwar möglicherweise wertvollen, inhaltlich jedoch
völlig abwegigen und sachfremden Formulierungen Heussens genannt, der Software als
"gefrorene Idee", "festgebannt auf den Datenträger" begreift, die bei Anwendung, also der
Benutzung, "verflüssigt" wird, den Datenflußplänen folgend "die in Schnittstellen vorgesehene
Schleusen" überwindet und wieder in bestimmte Zustände "eingefroren" werden kann[5].
Greve schließlich führt in vollständiger Verkennung der technischen Grundlagen aus, die
Zentraleinheit eines Rechner bestehe ausschließlich aus Bits[6].
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1) Dies verkennt Hoeren, wenn er die Klärung der EDV-Terminologie und -technischer
Grundlagen als "Seitenfüller" bezeichnet; zuzustimmen ist ihm lediglich insoweit, als einige
entsprechende Erläuterungen dem Verständnis tatsächlich nicht dienen, wie beispielsweise die
entsprechenden, lediglich verwirrenden Ausführungen bei Brauner 8ff: Hoeren NJW 89,2246.
Zur Erforderlichkeit der Berücksichtigung technischer Aspekte vgl. auch Lederer Mitt.86,9.
2) BFH III R 49/83 v.5.2.88 BStBl II 88,737; Hauter CR 87,580,581; Kindermann ZUM 85,2;
Moritz Rdnr.101; kritisch König CR 90,106,107; ders. DB 89 Beil.13,26,27; ders. GRUR
89,559,560; ders. CR 89,372,374f; allgemein auch v.Hellfeld GRUR 89,471f
3) BFH aaO; BFH III R 54/87 v.10.8.88 CR 89,704; FG Hamburg II 8/86 v.3.8.88 CR
89,706; dem BFH folgend und daher ebenso irrend Reuther IuR 88,477; vgl. hierzu kritisch
König CR 89,372ff; allgemein ablehnend auch Sauer DStR 88,727,734, der jedoch selbst nicht
in der Lage ist, die Unterschiede zwischen Programmen und Datensammlungen zu erkennen;
so wohl auch Herden/Gmach NJW 89,2094,2106
4) BFH III R 38/84 v.2.9.88 BStBl II 88,160; ablehnend König DB 89 Beil.13,26ff; ders. CR
90,106109ff; auf die Absurdität dieser Begriffsbildungen und Unterscheidung braucht hier
nicht eingegangen zu werden, vgl. hierzu König aaO
5) Heussen GRUR 87,779,781f
6) Greve 18; der Begriff "Bit" wird unten bei II.2.b) Rdnr.107 erläutert
B. IV. 3. d) Ergebnis
Im Ergebnis ist also festzustellen, daß die Unterscheidung zwischen Hardware, Software und
Firmware nicht auf materiellen Unterschieden beruht, sondern lediglich strukturell-
organisatorische Änderungsmöglichkeiten bzw. änderbare Teile beschreibt. Es ist also völlig
zutreffend, wenn Gorny den Computer als "nicht zuende konstruierte Maschine" begreift, die
durch Hinzufügen der Programme komplettiert wird[261]. Die außerhalb des Hauptspeichers
befindlichen Programme stellen auswechselbare Teile der Maschine dar, während die
geladenen Programme zu einem integralen Maschinenbestandteil werden. Welche
Auswirkungen dies für die rechtliche Beurteilung von Computerprogrammen hat, ist
Gegenstand des folgenden Teils.
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261) Gorny CS+SH 7,10; ders. CR 86,673; ähnlich auch Wirth zitiert nach v.Hellfeld GRUR
89,471 Fußnote 6a
Dies ist ein Auszug aus dem beim Verlag Dr. Otto Schmidt KG erschienenen Buch "Das Computerprogramm im Recht". Es gibt die Rechtslage und Meinung des Verfassers zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder.