DR. KÖNIG & COLL.

RECHTSANWÄLTE


Von einem, der es zu gut meinte

oder: Sich fortzubilden ist nicht gleich Fortbildung


Zur Erläuterung wie häufig in Zeitnot vorerst nur vergleichsweise kurz:

Rechtsanwälte müssen sich fortbilden, Fachanwälten obliegen (Stand 2016) besondere Verpflichtungen:
Die Fachanwaltsordnung sieht hierzu als Regel die hörende oder dozierende (man sollte es nicht für möglich halten, daß auch die fakultativ schlafende Teilnahme gleichwertig mit dem anstrengenden Dozieren sein soll) Teilnahme an sog. Fortbildungsveranstaltungen vor. Dabei handelt es sich um Tagesseminare, in denen mehr oder minder fachbezogen spezielle Thematiken oder die aktuellen Entwicklungen, wie man sie auch bei regelmäßiger Lektüre der obligatorischen einschlägigen Fachzeitschriften zwangsweise mitbekommt, referiert wird. Dabei wird aber weder kontrolliert, ob der Fachanwalt auch tatsächlich an der Veranstaltung teilnimmt, also im Saal sitzt, oder ob er auch zuhört (oder nicht etwa vorzugsweise in den hinteren Reihen schläft, Zeitung liest, Akten bearbeitet, emails beantwortet, Aufsätze verfaßt ....) noch gar, ob er auch fleißig mitarbeitet und etwas lernt, also sich tatsächlich fortbildet. Selbst von allereinfachsten sog. Testaten, deren Fragen und erwünschte Antworten zuvor eingehend besprochen werden und die die Bezeichnung "Klausur" oder "Test" nicht verdienen, wird abgesehen. Die Bestätigung der Teilnahme, die als sog. "Fortbildungsnachweis" der zuständigen Anwaltskammer vorgelegt wird, wird daher allein infolge der Anmeldung, des Bezahlens der nicht ganz unerheblichen Rechnung und dem Umstand, daß in der Spalte der Teilnehmerliste ein möglicherweise dem betreffenden Namen entsprechende Kritzelei erfolgt, erteilt. Ohne daß ich den teilnehmenden Kollegen irgendeine unlautere Handlung unterstellen will ist es jedenfalls unbestritten problemlos möglich, diesen sog. "Fortbildungsnachweis" ohne jede tatsächlich erfolgte Fortbildung zu erlangen.
Alternativ läßt die FAO seit einigen Jahren auch wissenschaftliche Publikationen zu.
Da aber das Verfassen einer mehr oder minder wissenschaftlichen, auf jeden Fall juristischen, Publikation viel mühsamer ist als der fakultativ nur schlafende oder anderweitig genutzte Besuch einer Fortbildungsveranstaltung und jedenfalls dann, wenn man dies nicht an einen Adlatus oder jungen Kollegen delegieren kann, nicht ohne Mühsal und nur mit von den wenigstens goutierter Arbeit (das Verfassen eines gar anspruchsvollen Aufsatzes ist nämlich etwas ganz anderss als die alltägliche "Schreib"arbeit des durchschnittlichen Rechtsanwalts oder Richters) abgeht, und drüber hinaus offensichtlich ist, daß nicht zigtausend Fachanwälte ihre drei bis vier Aufsätze jährlich in den Fachzeitschriften unterbekommen können - so gibt es beispielsweise nur noch eine Print-Fachzeitschrift im IT-/EDV-Recht, aber nahezu 100 Fachanwälte; da natürlich auch viele Assistenten und Doktoranden ihre wissenschaftlichen Meriten verdienen wollen und auch der eine und andere Richter etwas zu sagen weiß, liegt auf der Hand, daß nur ein "wenziger" Bruchteil der Fachanwälte auch nur die Chance besitzt, "wissenschaftlich" zu publizieren - verwundert nicht, daß die Fortbildung faktisch allein durch das Buchen, Bezahlen und wohl meist auch wenigstens körperlichen Besuch der Fortbildungsveranstaltungen erfolgt.
Honi soit qui mal y pense - aber dies ist natürlich den Anwaltskammern zufälligerweise sehr recht, da sie sich so auf das Abheften und Abhaken der sog. Fortbildungsbescheinigungen der Veranstalter beschränken können und nicht gezwungen sind, sich mit den anspruchsvollen Inhalten von zigtausenden Aufsätzen zu befassen.

Nun ja.

Bekanntlich seit jeher dem Publizieren zugetan habe ich auch nach dem Erringen des FA-Titels weiterhin mehrfach jährlich interessante, also wegweisende und bedeutende Urteile aus dem EDV-rechtlichen Bereich auch für den Nicht-Fachmann verständlich aufbereit und rezensiert. Aufgrund zunehmender Unstimmigkeiten mit der Redaktion der Fachzeitschrift "c´t", in der ich überwiegend meine Elaborate veröffentlicht habe, die auf noch einfachere Sprache und noch mehr vereinfachende Darstellung drängte, was letztlich weder mit dem typischerweise nicht so simplen Inhalt noch mit meinem eigenen Anspruch in Übereinstimmung zu bringen war, habe ich diese Aufsätze schließlich nur noch auf meiner Homepage veröffentlicht und dafür so anspruchsvoll geschrieben, wie ich es als erforderlich und angemessen angesehen habe. Dies wurde zunächst von der mir in diese Hinsicht ohnehin nicht besonders gewogenen Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main trotz abwegiger inhaltlicher Kritik (so sei etwa die Thematik der elterlichen Haftung für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kinder infolge deren Teilnahme an filesharing-Systemen nicht IT-rechtlicher Art) akzeptiert, im Folgejahr aber als nicht ausreichend für die FAO-gemäße Fortbildung beanstandet. Da es - jedenfalls in Verbindung mit dem wöchentlich mehrstündigen Durcharbeiten allgemeiner und fachspezifischer Fachzeitschriften und per Mailingliste verlinkter einschlägiger und höchstrichterlicher Rechtsprechung - ganz und gar offensichtlich inhaltlich eine Fortbildung darstellt, mit entsprechendem Zeitaufwand jährlich mehrere dementsprechende fachjuristische Aufsätze zu erarbeiten und zu verfassen und dem interessierten Leser auf meiner Homepage zur Lektüre anzubieten, insbesondere zu der möglichen Alternative des Nichtzuhörens und Nichtaufpassens in sog. Fortbildungsveranstaltungen, sofern diese überhaupt besucht und nicht lediglich bezahlt werden, dies also für den Zweck der Fortbildungsverpflichtung, für das Beibehalten der hohen fachlichen Qualität des Fachanwalts zu sorgen, mit - vermeintlich - Sicherheit eine wenigstens vergleichbare Fortbildung darstellte, habe ich es darauf ankommen lassen, zumal ich die nach Meinung der RAK Frankfurt ohnehin versäumte Forbildung auch nicht mehr hätte nachholen können.
Nicht ganz unwesentlich war auch die Überlegung, daß es hier ja "nur" um Fortbildung ging, also das Aktuellhalten des Fachwissens, nicht aber darum, die wissenschaftliche Diskussion zu befruchten, die juristische Wissenschaft voranzubringen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse der Fachwelt zu unterbreiten (was ich schon vor vielen, vielen Jahren in einer in jedweder Hinsicht durchaus ausreichender Weise getan habe) - zumal es offensichtlich keine sich naturgemäß auf die Breite beziehende Fortbildung darstellt, auf zehn wirklich engbedruckten Seiten einer Fachzeitschrift eine Orchideenthematik in jedweder - auch den Leser - erschöpfenden Weise höchst wissenschaftlich und einer zweiten Promotion würdigen Weise zu erörtern.
Hinzu kam, daß immerhin das Bundesverfassungsgericht schon vor vielen Jahren festgestellt hat, daß Wissenschaft

"alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist."
(BVerfG 1 BvR 424/71 und 325/7 v.29.5.1973, BVerfGE 35, 79, 112 (Rdnr.128)).

Im Großen Brockhaus, dem unerschöpflichen Quell allen Wissens der Vor-Internet-Zeit und daher "zitierwürdig" ( ;-) ), wird Wissenschaft als

"der Inbegriff menschlichen Wissens einer Epoche, das systematisch gesammelt, aufbewahrt, gelehrt und tradiert wird; eine Gesamtheit von Erkenntnissen, die sich auf einen Gegenstandsbereich beziehen und in einem Begründungszusammenhang stehen"
(Brockhaus 19.Aufl. S.277)

bezeichnet. Ein wissenschaftliches Buch definiert Brockhaus aaO S.280 mit

"inhaltsbezogene Bezeichnung für Bücher, die sich einem wissenschaftlichen Thema widmen"

Wer möchte meinen Aufsätzen absprechen, inhaltlich diesen Anforderungen zu genügen?

Also - wie immer bereit, für eine gerechte Sache in den juristischen Ring zu steigen - habe ich gegen die Rücknahme der Erlaubnis, den Titel des Fachanwalts für Informationstechnologierecht führen zu dürfen, vor dem Anwaltsgerichtshof Frankfurt geklagt. Dieser stimmte nicht gänzlich überraschend meiner Auffassung zu, denn jedermann, der auch nur die Schule besucht hat - erst recht aber ein Absolvent des Studiums der Rechtswissenschaften - weiß, daß selbst Zuhören nicht allzu viel bringt, da allein beim Zuhören nur wenig Wissen hängenbleibt, ganz im Gegensatz dagegen zu dem Selbsterarbeiten und schriftlichen Niederlegen des Erarbeiteten.
Die RAK Frankfurt mochte sich damit aber nicht abfinden und hat Berufung zum Bundesgerichtshof eingelegt. Dessen Anwaltssenat hat - mit welcher Motivation auch immer - gegenteilig entschieden und mit der Begründung, daß die auf einer privaten Homepage veröffentlichten eigenen Publikationen ungeachtet deren Inhalts nicht als Fortbildung anzuerkennen seien, das Urteil des Anwaltsgerichtshofs Frankfurt aufgehoben und meine Klage abgewiesen. Denn diese privat publizierten Aufsätze seien nicht als "wissenschaftliche" Publikationen (und damit als Fortbildung) anzuerkennen, da sie jederzeit vom Verfasser geändert und daher nicht wissenschaftlich verwertet werden könnten (auf "rechtswissenschaftlich" sagt man dazu: Meine auf meiner Homepage veröffentlichten Aufsätze seien nicht "zitierwürdig".)
Wohlgemerkt: Die Begründung war nicht, daß meine Aufsätze inhaltlich nicht ausreichend "wissenschaftlich" gewesen seien; aber auch alles andere erschien dem Bundesgerichtshof als nicht relevant.

Ende der Fahnenstange. "Fachanwalt für Informationstechnologie" war einmal. So kann es gehen.
Vielleicht ein Trost für andere, die selbst höchstrichterlich attestiert erhalten, daß sie angeblich unrecht haben (was nur bedeutet, daß ihre Rechtsauffassung von der Mehrheit der Senatsbesetzung nicht geteilt wird): Es geht den Menschen wie den Leuten, wie man hier in Hessen (freilich mit mundartlichem Zungenschlag) zu sagen pflegt.

Wenn bzw. da ich mich also weiterhin "Fachanwalt für Informationstechnologie" nennen dürfte, wenn ich regelmäßig sog. Fortbildungsveranstaltungen vor allem bezahlt, diesen aber lediglich schlafend oder Comics lesend beigewohnt hätte, dies mir aber versagt wird, weil ich stattdessen inhaltlich wissenschaftliche EDV-/IT-rechtliche Aufsätze verfaßt aber nur an der "falschen Stelle" veröffentlich habe, dann kommt mir ein Groucho Marx in dieser oder weitgehend identischer Form zugewiesenes Zitat in den Sinn:

"I don’t want to belong to any club that would accept me as one of its members."

Gleichwohl kann man sich befriedigt zurücklehnen, daß die Rechtsanwaltskammer Frankfurt zusammen mit dem Bundesgerichtshof die rechtssuchende Öffentlichkeit vor den unermeßlichen Gefahren daraus, daß sich ein derart (oder auch nicht) fortbildender Rechtsanwalt "Fachanwalt" nennt, bewahrt hat, die weiterhin darauf vertrauen kann, daß nur dort, wo Fachanwalt draufsteht, auch ein sich den Regeln der FAO gemäß fortbildender Fachanwalt drin ist. Dafür zahlt man doch gerne seine Kammerbeiträge und Gerichtskosten.

Dr. Michael König
Rechtsanwalt
(FA IT-Recht a.D. von 2011 bis 2016)


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