Speziell hinsichtlich des möglichen urheberrechtlichen Schutzes von Programmen vertritt der
Bundesgerichtshof demgegenüber die Auffassung, daß verwertungsrechtliche Aspekte
unberücksichtigt bleiben müssen. Als Begründung führt er an, daß keineswegs alle Programme
urheberrechtlich geschützte "persönlich geistige Schöpfungen" seien, sich die Gewährleistung
für Programmfehler jedoch sowohl bei geschützen als auch nicht geschützten Programmen
nach denselben gesetzlichen Regeln richten müsse, da diese in keinem Zusammenhang mit
urheberrechtlichen Fragen stünde. Schließlich gebe das Urheberrecht auch keine Anwort
darauf, welche schuldrechtlichen Vorschriften auf den Erwerb von Computerprogrammen und
mögliche Gewährleistungsansprüche anzuwenden sind[239]. Dem haben sich Teile des
Schrifttums angeschlossen[240].
Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten[241], daß es durchaus von Bedeutung sein kann, ob
eventuelle Verwertungshandlung von solchem Gewicht[242] sind, daß die Überlassung nicht
unmittelbar einem der gesetzlich geregelten Vertragstypen zugeordnet werden kann.
Wenngleich auch zuzugeben ist, daß auch bei nur entsprechender Anwendung der
Gewährleistungsvorschriften geschützte und nicht geschützte Programme nicht wesentlich
unterschiedlich behandelt werden dürfen, ermöglicht doch die nur entsprechende Anwendung
bestimmter Regeln die problemlose Berücksichtigung scheinbarer Besonderheiten von
Computerprogrammen. Außerdem können bei Prüfungen Allgemeiner Geschäftsbedingungen
Probleme entstehen, insbesondere bei Erfassung des "Gesetzlichen Leitbildes" nach § 9 II
AGBG. So können formularmäßige sog. CPU-Klauseln, welche die Benutzung von
Programmen nur mit einem bestimmten Rechner gestatten[243], oder Weitergabeverbote[244]
bei urheberrechtlich geschützten Programmen durchaus zulässig sein, wenn die
Programmbenutzung eine Verwertung darstellt[245].
Nachfolgend werden lediglich Verwertungshandlungen berücksichtigt, welche bei derbestimmungsgemäßen Benutzung durch den Anwender anfallen können. Wie eingangs bereits mitgeteilt[246], stellt sich nur bei den Vertragsbeziehungen zwischen Lieferant und Endbenutzer die Frage nach der Einordnung in die gesetzlich geregelten Vertragstypen, denn die zwischen Hersteller und Lieferant geschlossenen Vertriebsverträge entziehen sich idR infolge vielfältiger zusätzlicher Regelungen einer entsprechenden Bewertung.
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239) BGH VIII 314/86 v.3.11.87 NJW 88,406,407
240) Bartl BB 88,2122,2123; Junker JZ 88,464f; ders. JZ 89,316,321; einschränkend auf
unbedeutende Verwertungshandlungen Dörner/Jersch IuR 88,137,140; Hoeren GRUR
88,340,346; wie der BGH bereits früher Engel BB 85,1159; i.E. wohl auch Heymann CR
90,112,113
241) Hoeren wendet hiergegen lediglich ein, daß aus der Sicht mancher Lieferanten die
Benutzung identisch sei mit einer Verwertung: Hoeren Rdnr.89
242) auf die Bedeutung der Verwertungshandlung stellen ebenfalls ab: Dörner/Jersch IuR
88,137,140; Hoeren GRUR 88,340,346
243) hierzu ausführlich Hoeren Rdnr.212ff
244) hierzu z.B. Bartsch CR 87,8ff; Hoeren Rdnr.144ff
245) dies übersieht K.-A. Bauer, der allein wegen des Fehlens von Rechtsprechung, welche
sich speziell mit dieser Frage beschäftigt, einen dringenden Bedarf für die Nichtanwendung des
UrhG hierauf verneint: Bauer K.-A. CR 90,89,91
246) oben Einleitung Rdnr.4
C. III. Rechtliche Qualifizierung der Programmüberlassung
Nachdem in den beiden vorherigen Abschnitten das Wesen der Computerprogramme durch
deren Qualifizierung als Sache iSd § 90 BGB sowie die Feststellung, daß deren Benutzung
keine wie auch immer geartete Verwertung eines Rechts oder Immaterialgutes darstellt,
untersucht und beschrieben wurde, ist nunmehr auf das mit dieser Untersuchung verfolgte und
eingangs beschriebene Ziel[511] zurückzukommen.
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511) vgl. oben Rdnr.3f
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