DR. KÖNIG & COLL.

RECHTSANWÄLTE


Abhandlung zum EDV-Recht/Gerichtsreport: Neue Gerichtsentscheidungen zum EDV-Recht

Der urheberrechtliche Schutz von Computerprogrammen nach dem "Betriebssystem"-Urteil des Bundesgerichtshofs (Programm für ROM und RAM)

Der Bundesgerichtshof hat sich vor kurzem zum zweiten Mal zur Urheberrechtsschutzfähigkeit von Software sowie damit zusammenhängenden und kontrovers diskutierten Problemen und Fragen geäußert.

von RA Dr. M. Michael König

Die Frage der Schutzfähigkeit von Computerprogrammen durch das Urheberrecht war schon mehrfach Gegenstand von Beiträgen in der c't[1]. Trotz entsprechender Publikationen ist besonders in der Öffentlichkeit unklar, in welchem Umfang Computerprogramme urheberrechtlich vor dem (Raub)Kopieren geschützt sind. Dies beruht natürlich auf der besonderen Problematik des Urheberrechtsschutzes für Computerprogramme, die darauf zurückführen ist, daß Computerprogramme als rein technische Erzeugnisse von einem hierfür nicht geeigneten Schutzinstrumentarium erfaßt werden sollen. Der durch das Urheberrecht gewährte Schutz hat nämlich - zumindest bei "Darstellungen technischer oder wissenschaftlicher Art" - nicht die (technischen) Inhalte, sondern nur deren Darstellungsform zum Gegenstand. Dies ist übrigens unter Juristen unbestritten und völlig einhellige Auffassung. Umso erstaunlicher ist, daß auch viele Juristen diese anerkannte und urheberrechtstypische Beschränkung des Schutzbereichs gerade bei der Anwendung des Urheberrechts auf Computerprogramme verkennen (oder ignorieren). Weniger erstaunlich ist hingegen, daß Programmierer, die als Techniker oder zumindest der Technik Nahestehende technische Leistungsschutzrechte wie das Patentrecht oder das Gebrauchsmustergesetz gewohnt sind, primär auf den Schutz ihrer Programmierleistung und der (programm)technischen Inhalte ihrer Produkte abstellen. Infolge dieses grundsätzlichen Mißverständnisses ist daher nachvollziehbar, daß gerade Programmierer den zumeist zurückhaltend urteilenden Gerichten vorwerfen, diese würden "die Sachlage nicht richtig verstehen und gar zum Nachteil des Anbieters entscheiden"[2].

Offensichtlich besteht hier noch ein nicht unerhebliches Informations- und Wissensdefizit. Besondere Aktualität gewinnt das Thema des Urheberrechtsschutzes für Computerprogramme durch die in Brüssel vorbereitete EG-Richtlinie zum Softwareschutz (hierzu mehr in einem späteren Beitrag) und vor allem durch die erst vor kurzem bekanntgewordene neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4.10.1990 zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Computerprogrammen[3].

Der dieser "Betriebssystem"-Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ist recht simpel:
Die Klägerin ist ein bekannter deutscher Hersteller von Hard- und Software (vorwiegend im Bereich der ehemaligen MDT). Die Beklagte handelt mit gebrauchten Computern einschließlich Systemsoftware der Klägerin. Die Klägerin hat mit ihren Kunden in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen u.a. vereinbart, daß die Herstellung von Programmkopien zu eigenem Gebrauch zulässig sei. Der Kunde habe jedoch bei Nutzungsende das Betriebssystem nebst Kopien und Dokumentation unaufgefordert an die Klägerin zurückzugeben. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten nun u.a., den Weiterverkauf, die Änderung sowie die Benutzung der mit den Computern von den Kunden der Klägerin erworbenen Betriebssystemprogramme zu unterlassen sowie Schadensersatz.
Diese Klage wurde sowohl vom Landgericht Hamm als auch vom Oberlandesgericht Hamm abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat mit der genannten "Betriebssystem"-Entscheidung auf die Revision der Klägerin das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung an dieses zurückverwiesen.

Zum besseren Verständnis der Entscheidungsgründe dieses Urteils ist kurz die wesentliche Aussage des ersten einschlägigen höchstrichterlichen Urteils, der grundlegenden "Inkasso- Programm"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.5.1985[4], ins Gedächtnis zu rufen:
Der Bundesgerichtshof hatte in diesem Urteil festgestellt, daß Computerprogramme Werke im Sinne des Urheberrechts seien, nämlich wissenschaftliche Schriftwerke oder Darstellungen technischer Art. Sie könnten als diese Werke dann schutzfähig seien, wenn die schöpferischen Eigenheiten des Programms das Schaffen eines Durchschnittsprogrammierers ganz erheblich überstiegen. Dieses Schaffen eines Durchschnittsprogrammierer liege als rein handwerksmäßige, mechanisch-technische Aneinanderreihung des Materials außerhalb jeder Schutzfähigkeit.
So anerkennenswert das Beharren auf Qualität und das Hochhalten von Leistungsniveaus auch sein mag - mit dieser Argumentation setzten sich die Bundesrichter nach Auffassung der weit überwiegenden Zahl der Kritiker aus der Rechtswissenschaft ganz erheblich in Widerspruch zu der Behandlung anderer urheberrechtlich geschützter Werke - z.B. von Groschenromanen oder Schlagern bzw. "Hits". Als sogenannte "Kleine Münze des Urheberrechts" sind nämlich auch derartige (Mach)Werke vollumfänglich geschützt.
Verständlicherweise wurde die neue "Betriebssystem"- Entscheidung des Bundesgerichtshofs von den einschlägigen Kreisen mit Spannung erwartet, erhoffte man sich doch eine deutliche Abkehr von diesen als überzogen bewerteten Anforderungen. Man hat jedoch die Rechnung ohne den Wirt - in diesem Fall in Person des mittlerweile in den Ruhestand getretenen Vorsitzenden des zuständigen I. Senats des Bundesgerichtshofs - gemacht. Der Bundesgerichtshof blieb seiner Rechtsprechung - und der schon 1969 geäußerten Rechtsauffassung des Vorsitzenden des I. Senats[5] - treu und bekräftigte noch einmal die Richtigkeit dieser Anforderungen an die Schutzfähigkeit von Computerprogrammen.

Die wichtigste Voraussetzung für die Ansprüche der Klägerin war der urheberrechtliche Schutz ihres Betriebssystems. Urheberrechtlich sind Computerprogramme geschützt, wenn sie Werke im Sinne des Urheberrechts gemäß § 2 Abs.1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) und zugleich eine persönliche geistige Schöpfungen nach § 2 Abs.2 UrhG darstellen. Beides hat der Bundesgerichtshof - für mich, wie ich gestehen muß, überraschend - für das hier zur Beurteilung anstehende Betriebssystem der Klägerin bejaht.

Nachdem Computerprogramme mit der Novellierung des Urheberrechtsgesetzes im Jahre 1985 - wie weiter unten dargelegt werden wird, nicht sachgerecht - gem. § 1 Abs.1 Nr.1 UrhG als Werke im Sinne des Urheberrechts gelten, war hier problematisch, ob Computerprogramme allgemein und speziell das zu beurteilende Betriebssystem der Klägerin eine "persönliche geistige Schöpfung" darstellen können. Das Oberlandesgericht Hamm hat dies mit der völlig zutreffenden Begründung verneint, daß allein der Umstand nicht genüge, daß es sich bei einem Betriebssystem stets um ein kompliziertes Programm handele. Die Kompliziertheit des Aufbaus einer Sache sei nämlich kein geeigneter Maßstab für die Beurteilung deren Urheberrechtsschutzfähigkeit, weil es insoweit auf die äußerlich wahrnehmbare Gestalt des Werkes ankomme[6].
Diese Argumentation ist zutreffend und wurde vom Bundesgerichtshof auch nicht beanstandet. Empörte Programmierer sollten sich vor der lautstarken - und vielleicht auch beleidigenden - Artikulierung Ihres Protests im Sinne des obigen Zitats auf den eingangs dargestellten urheberrechtlichen Grundsatz besinnen: Bei technischen Produkten - und um solche handelt es sich letztlich bei allen Computerprogrammen, da diese immer die Abläufe im Innern eines Rechners steuern bzw. die Rechnersteuerung erst strukturieren - erstreckt sich der urheberrechtliche Schutz unter keinen Umständen auf die technischen Inhalte des Werkes oder die zu dessen Herstellung erforderliche Leistung; nur die konkrete Darstellungsform des Werkes ist geschützt, wenn diese Darstellungsform als eine persönliche geistige Leistung angesehen werden kann.

Das Oberlandesgericht Hamm hatte jedoch einen substantiierten Vortrag der Klägerin zu den tatsächlichen Merkmalen des Betriebssystems, aus denen sich die persönliche geistige Schöpfung ergeben könnte, vermißt. Die entsprechende Darstellung der Klägerin beschränkte sich nach Meinung des Oberlandesgerichts Hamm auf die Umschreibung von Problemanalysen, die Wiedergabe der technischen Eigenschaften von Datenverarbeitungsanlagen, die Schilderung von Arbeitsvorgängen und technischen Erweiterungen des Programms sowie seiner Bedienungsfreundlichkeit. Die Klägerin habe im wesentlichen werden auf den Inhalt der gefundenen Problemlösungen abgestellt, die für die urheberrechtliche Betrachtung jedoch keine Rolle spielten.
Der Bundesgerichtshof konnte diesen Feststellungen nicht folgen, sondern sah hierin zu hohe Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin. Die formgestalterische Struktur von Computerprogrammen könne nicht "sinnlich faßbar" gemacht werden, denn bei Computerprogrammen fehle es im Gegensatz zu Kunstwerken, bei denen der sich aus der Betrachtung des Objekts ergebende Gesamteindruck entscheide, an einem unmittelbaren Anschauungsobjekt. Da außerdem das in einer höheren Programmiersprache geschriebene Quellprogramm nicht allgemein, sondern nur dem Fachmann verständlich sei und Maschinenprogramme in der Regel ohnehin nicht unmittelbar gelesen werden könnten, bestimme sich der Umfang der Darlegungslast der Klägerin im wesentlichen nach den allgemeinen urheberrechtlichen Grundsätzen. Hier wiederholte der Bundesgerichtshof unter Bezugnahme auf die oben kurz dargestellte "Inkasso-Programm"-Entscheidung die Feststellung, daß es für den Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen im allgemeinen auf die Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des Materials ankomme. Ungeachtet der geäußerten Kritik beharrte der Bundesgerichtshof auch auf den hohen Anforderungen an die Schutzfähigkeit von Software, denn eine für die Urheberrechtsschutzfähigkeit hinreichende Gestaltungshöhe werde erst erreicht, wenn das alltägliche, durchschnittliche Programmiererschaffen, das auf einer mehr oder weniger routinemäßigen, mechanisch-technischen Aneinanderreihung und Zusammenfügung des Materials beruhe, deutlich überstiegen werde.

In der weiteren Begründung dieses an Überraschungen nicht armen Urteils bejahte der Bundesgerichtshof das Vorliegen dieser Voraussetzungen. Der geistig-schöpferische Gehalt des Betriebssystems habe nach dem Sachvortrag der Klägerin seinen Niederschlag und Ausdruck insbesondere in der Art und Form der Sammlung, Auswahl und Gliederung der zur Steuerung des Computers und der mit ihm verbundenen Anschlußgeräte erforderlichen Befehle gefunden. Aus diesen erheblichen technischen Gestaltungsmöglichkeiten ergäben sich die erforderlichen vielfältigen Möglichkeiten einer individuellen Gestaltung. Hervorzuheben ist, daß sich der Bundesgerichtshof zur Begründung der Neuheit bestimmter Formgebungen auf bestimmte technische Features des Betriebssystems, wie z.B. Multi-Tasking, Druck-Spooling und Menüsteuerung sowie eine weit überdurchschnittliche Programmierleistung, bezog. Da das Oberlandesgericht Hamm hierzu keine weiteren Feststellungen tatsächlicher Art getroffen hatte, der Bundesgerichtshof als nur für Rechtsfragen zuständige Instanz diese Feststellungen auch nicht nachholen konnte, wurde der Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht an das Oberlandesgericht Hamm zur anderweitigen Verhandlung zurückverwiesen.

Bevor ich auf andere, nicht weniger wichtige Feststellungen in diesem Urteil eingehe, ist - bei allem Respekt vor den Richtern des Bundesgerichtshofs - ein kritisches Wort angebracht. Selbstverständlich bedürfen Computerprogramme eines effektiven Schutzes vor unerlaubten Kopieren - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Der vom Bundesgerichtshof erneut im Grundsatz bestätigte Schutz durch das Urheberrecht beruht mit der erfolgten und gerafft dargestellten Argumentation jedoch auf der aus urheberrechtlicher Sicht unzulässigen Heranziehung rein inhaltlicher Elemente zur Begründung der erforderlichen persönlichen geistigen Schöpfung. Dies soll nachfolgend an einem Beispiel erläutert werden.

Die Auswahl und Anordnung der Befehle in einem Quellcode ist völlig vergleichbar mit z.B. der Auswahl und Anordnung, also Verschaltung, elektronischer Bauteile bei der Konstruktion einer elektronischen Schaltung. Hierfür spricht i.ü. auch die Tatsache, daß als EPROM o.ä. vorliegende Maschinenprogramme durch funktionsgleiche Nachbauten unter Verwendung herkömmlicher digitaler Schaltkreise ersetzt werden können, sei es durch exakter Nachbildung der in einem EPROM o.ä. enthaltenen Matrizes von logischen Gattern (AND, OR etc.) mit allen vorhandenen Redundanzen, sei es durch Nachbau in optimierter Form bis hin zum Entwurf eines speziellen ASIC. Es ist jedoch anerkannt - und aus urheberrechtlicher Sicht völlig selbstverständlich -, daß sowohl der technische Inhalt der Schaltung als auch der technische Gestaltungsspielraum bei Entwurf der Schaltung für den urheberrechtlichen Schutz des Schaltplans völlig irrelevant ist. Die erforderliche Schöpfungshöhe des Schaltplans und anderer Darstellungen technischer und wissenschaftlicher Art kann sich nur aus einer besonderen Darstellung der Schaltung ergeben, die jedoch auf den Inhalt, also die Auswahl und Anordnung im Sinne der Verschaltung der Bauteile, keine Auswirkungen besitzt.

Diese recht abstrakten Formulierungen gewinnen durch die Abbildungen 1 bis 4 an Anschaulichkeit: Alle drei Schaltbilder zeigen exakt ein- und dieselbe Schaltung, nämlich eine "altmodische" Multivibratorschaltung mit zwei Transistoren BC 238B. Die LEDs leuchten abwechselnd mit einer Frequenz von ca. 1 Hz. Gegenstand von Abbildung 1 die herkömmliche Darstellung dieser Schaltung. Abbildung 2 ist der Versuch einer sehr eigenwilligen und daher individuellen - im urheberrechtlichen Sinne also möglicherweise schutzfähigen - Form der Darstellung, die jedoch völlig unübersichtlich ist und daher den typischen Zweck eines Schaltplans gerade nicht erfüllt. Für die Darstellung in Abbildung 3 gilt dies entsprechend - sie kann jedoch m.E. eine gewisse ästhetische Gestaltung und Wirkung in Anspruch nehmen. Eine andere Möglichkeit, Schaltplänen Individualität zu verleihen und damit möglicherweise zum Niveau einer persönlichen geistigen Schöpfung zu verhelfen, kann durch die Verwendung individueller, also nicht genormter, Symbole erreicht werden - beispielsweise wie in Abbildung 4, die von der Anordnung der Bauteile her mit Abbildung 1 identisch ist, versuchsweise und ohne künstlerischen Anspruch dargestellt.
Der durch eine individuelle und schöpferische Darstellung gewonnene Schutz erstreckt sich jedoch nicht auf den technischen Inhalt, also die Schaltungsidee bzw. das Schaltungsprinzip und natürlich auch nicht auf die fertige elektronische Schaltung selbst. Die fertige Schaltung - vergleichbar mit dem Maschinenprogramm - ist als Realisierung des Schaltplans überhaupt kein schützbares Werk des Urheberrechts, sondern eben nur die anerkanntermaßen freie Ausführung des Schaltplans (inwieweit hier ein patentrechtlicher Schutz möglich ist, spielt in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rolle). Selbstverständlich kann der Schaltungsentwickler bei Aufbau der Schaltung die Bauteile so anordnen, daß er auch hiermit eine persönliche geistige Schöpfung erzeugt. Dies mag ausnahmsweise bei den allein nach "ästhetischen" Gesichtspunkten entworfenen Platinenlayouts in "gläsernen" Geräten der Fall sein, denn im Normalfall richtet man sich nach den elektrotechnischen Regeln beim Zusammenbau einer Schaltung, die auch die konkrete Anordnung der Bauteile weitgehend bestimmen. Wichtig ist aber auch hier die Erkenntnis, daß sich der dadurch gewonnene urheberrechtliche Schutz gerade nicht auf die Schaltung als Zusammenschaltung der elektronischen Bauteile und erst recht nicht auf die Schaltungsidee bzw. das Schaltungsprinzip erstreckt.
Eine Variierung der Schaltung schließlich - von der Änderung der elektrischen Werte der Bauteile bis hin zu dem Entwurf einer neuen Schaltung, hier z.B. mit einem Operationsverstärker oder digital durch Verwendung eines Schmitt-Trigger- Gatters - führt selbstverständlich auch nicht zur Begründung einer persönlichen geistigen Schöpfung. Der Grund ist klar - bei diesen Variationen wird ausschließlich der technische Inhalt der Schaltung mehr oder minder stark geändert. Da technische Inhalte vom Urheberrechtsschutz aber nicht erfaßt werden dürfen, genügt die notwendigerweise zugleich erfolgte Änderung der Darstellung der Schaltung nicht, denn es handelt sich gerade nicht um unterschiedliche Darstellungen desselben technischen Inhalts.

Die Parallele zu Computerprogrammen liegt auf der Hand. Der Quellcode entspricht dem Schaltplan; das Maschinenprogramm - gleich in welcher Form - entspricht der tatsächlichen Schaltung als Zusammenschaltung der erforderlichen elektronischen Bauteile. Besonders reizvoll ist bei Maschinenprogrammen als EPROM o.ä., daß der Quellcode tatsächlich auch als herkömmlicher Schaltplan dargestellt werden kann, nämlich als Zeichnung der im EPROM o.ä. enthaltenen Matrizes der verschiedenen Gatter nebst der noch vorhandenen bzw. hergestellten Verbindungen. Aber im Gegensatz zu den Entwicklern elektronischer Schaltungen besitzt ein Programmierer kaum nicht-inhaltsbezogene Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Anordnung oder gar Darstellung seiner "Bauteile", nämlich den Befehlssymbolen der jeweils verwendeten Programmiersprache. So ist die Verwendung genormter Symbole für die Bauteile und deren Anordnung im Schaltplan nach logisch- technischen Kriterien für die Realisierung der Schaltung nicht zwingend, wenngleich diese durch die Einhaltung dieser Regeln doch stark erleichtert wird. Der Programmierer hat jedoch bei der Darstellung der Befehlssymbole überhaupt keine Wahl - so muß er bei z.B. bei PASCAL immer das Symbol "write" verwenden, da "drucke" o.ä. vom Compiler nicht akzeptiert wird. Auch bei der Anordnung der Symbole muß er sich den strengen Regeln der Programmiersprache beugen - Deklarationen müssen vor Verwendung der Variablen erfolgen, vor Ausgabe des Wertes muß der Wert der Variablen zugewiesen sein, am Ende eine Schleife muß der entsprechende "wend"- o.ä.-Befehl stehen usw. usw. Die vom Bundesgerichtshof und auch teilweise in der juristischen Literatur hervorgehobenen "vielfältigen Möglichkeiten einer individuellen Gestaltung" beziehen sich also ausschließlich auf unterschiedliche programmtechnische Realisierungen und beschreiben damit lediglich unterschiedliche technische Inhalte. Diese können und dürfen aber nach denn allgemeinen Grundsätzen des Urheberrechts nicht Gegenstand des urheberrechtlichen Schutzes sein und daher auch nicht zur Begründung einer schutzfähigen persönlichen geistigen Schöpfung herangezogen werden. Aus diesem Grunde ist auch zu kritisieren, daß der Bundesgerichtshof ausdrücklich auf die zur Herstellung des Betriebssystems erforderliche Programmierleistung und einige technische Features abgestellt hat - auch diese technischen Inhalte fallen ausschließlich in den Bereich der technischen Schutzrechte, die technische Leistungen und Innovationen schützen sollen.

Jeder Leser, der bis hierhin mitgedacht hat, wird nun logischerweise die Frage stellen, warum in alles in der Welt ausgerechnet bei Computerprogrammen diese anerkannten Grundsätze ignoriert werden. Leider kann ich diese Frage nicht beantworten. Möglicherweise wird eine Rolle spielen, daß man in Ermangelung eines speziellen Gesetzes Computerprogramme unbedingt unter den Schutz eines vorhandenen Schutzrechts stellen will - möglicherweise ist aber auch nur die Unkenntnis der technologischen bzw. programmiertechnischen Grundlagen die Ursache.
Andere Leser, insbesondere Programmierer oder Programmhersteller, denen lediglich an einem Schutz der Programme "um jeden Preis" gelegen ist, mögen versucht sein, die oben skizzierten Überlegungen und Bedenken als irrelevant oder als juristischen Kokolores abzutun. Diese Kreise wird auch das Argument, daß die Systematik der gewerblichen Schutzrechte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf, nicht sonderlich beeindrucken. Ein Schutz "um jeden Preis" durch das Urheberrecht kann jedoch bei weitem nicht die Vorteile eines speziellen Softwareschutz-Gesetz bieten. So führt die urheberrechtssystemwidrige Erfassung technischer Leistungen und Inhalte durch das Urheberrecht zu Konflikten, da rein technisch bedingte Vorgänge - z.B. das Laden des Programms - scheinbar Ähnlichkeit mit urheberrechtlichen Verwertungshandlungen besitzen. Auch die hohen Anforderungen des Bundesgerichtshofs an die Schutzfähigkeit von Software resultiert aus der systemwidrigen Anwendung des Urheberrechtsgesetzes auf eine technische Entwicklungsleistung.

Die dargestellten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs können jedoch trotz der bewußt nicht zurückhaltend formulierten Kritik selbstverständlich nicht ignoriert werden. Festzuhalten ist also, daß nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung Computerprogramme grundsätzlich urheberrechtlich geschützt sind, sofern sich das jeweilige Programm ganz erheblich von dem durchschnittlichen Programmiererschaffen abhebt. Diese hohen Anforderungen haben zur Folge, daß "durchschnittliche" Programme urheberrechtlich nicht geschützt sein können. Zu diesen "durchschnittlichen" Programmen zählen sicherlich auch z.B. die zahlreichen und sich in vielerlei Hinsicht ähnelnden Textverarbeitungs-, Datenbank- und Tabellenkalkulationsprogramme. Da sich mit - hoffentlich - steigender Qualität der durchschnittlichen Programme auch der anzulegende Maßstab des "durchschnittlichen Programmiererschaffens" nach oben bewegen wird, ist abzusehen, daß bei Beibehaltung dieser Anforderungen tatsächlich kaum ein Programm urheberrechtlichen Schutz genießt und genießen wird.

Neben dieser grundsätzlichen Problematik der Anforderungen an die Schutzfähigkeit von Software hat sich der Bundesgerichtshof in dem "Betriebssystem"-Urteil auch zu anderen, mit dem Urheberrechtsschutz zusammenhängenden Problemen geäußert. Mit die - auch nach der EG-Richtlinie zum Softwareschutz - wichtigste Frage ist hier, ob die Programmbenutzung, also der Programmlauf, eine Vervielfältigungshandlung darstellt und daher oder aus sonstigen Gründen als eine allein dem Urheber vorbehaltene Verwertungshandlung anzusehen ist, oder ob die Programmbenutzung grundsätzlich frei sein muß und von dem Urheber nicht kontrolliert werden kann.

Diese, zunächst recht akademisch anmutende und auch in der juristischen Wissenschaft schon seit einiger Zeit heftig diskutierte und untersuchte Frage (sehr ausführlich bei [7]) ist von durchaus erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Der Urheber könnte nämlich die weitere Verbreitung des veräußerten Programmexemplars faktisch kontrollieren, wenn man die Programmbenutzung im Ergebnis als eine Verwertungshandlung ansehen wollte. Dann nämlich würde jede Programmbenutzung - die Schutzfähigkeit des betreffenden Programms unterstellt - eine urheberrechtliche Verwertungshandlung darstellen, die vom Urheber genehmigt - "lizenziert" - werden müßte. Der Urheber könnte also jedem ansonsten legalen Zweiterwerber, also nicht lediglich Raubkopierer, des Programms untersagen, dieses Programm zu benutzen. Stattdessen könnte er auch von diesem noch einmal ein Entgelt - "Lizenzgebühr" - verlangen. Hier hört man schon Programmierer und Programmhersteller frohlocken. Beide Möglichkeiten widersprechen jedoch Grundprinzipien des Urheberrechts. Zwar soll der Urheber an der wirtschaftlichen Verwertung seines Werkes angemessen profitieren. Dieses Interesse ist jedoch schon durch die erste Veräußerung befriedigt, denn der Urheber hat hierdurch die ihm zustehende Kompensation erhalten. Außerdem erlischt das Recht des Urhebers auf Verbreitung des konkreten Werkexemplars mit dessen erster Veräußerung. Diese anerkannten Grundsätze würden konterkariert werden, wenn man dem Programmhersteller durch den Umweg über die Deklarierung der Programmbenutzung als Verwertungshandlung eine Einflußnahme auf das weitere Schicksal der veräußerten Programmexemplare zubilligen wollte.

Damit nicht genug - eine weitere Folge wäre, daß der Programmhersteller auch bestimmen könnte, auf welchen Rechnern das Programm benutzt werden dürfte. Der Programmhersteller, der zugleich auch passende Hardware liefert oder mit dem Hardwarelieferanten entsprechende Vereinbarungen getroffen hat, könnte also auch den Absatz einer bestimmten Hardware fördern bzw. verhindern. Es ist durchaus kein fernliegender Gedanke, daß manche Lieferanten auf die Idee kommen könnten, die Benutzung des Programms X auf Rechnern der Marke Y oder solchen, die mit Prozessoren des Herstellers Z ausgestattet sind, oder allgemein auf No-Name- Rechnern oder Clones zu untersagen. Eine andere Art der Einflußnahme ist dem der Entscheidung "Betriebssystem" zugrundeliegenden Sachverhalt zu entnehmen. Durch eine Untersagung des Weiterverkaufs des Betriebssystems wird der Markt für Gebrauchtgeräte, die mit Neugeräten des Herstellers der Hardware und des Betriebssystems konkurrieren könnten, ausgeschaltet, sobald der Hersteller dem Zweiterwerber nicht oder nur gegen erhebliches Entgelt die Benutzung des Betriebssystem erlaubt. Auch diese Auswirkungen und Ziele sind offensichtlich nicht von dem Zweck des Urheberrechts umfaßt.

Nach zutreffender Auffassung des Bundesgerichtshofs scheidet allein die Ausgabe des Programms auf den Bildschirm als maßgebliche Vervielfältigungshandlung aus, da hierbei keine körperliche Festlegung und Wiedergabe erfolgt. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Feststellung, daß die reine Benutzung des Programms aus dem Bereich des Urheberrechts herausfällt, da auch die Benutzung eines anderen Werkes - z.B. das Lesen eines Buches - keinen urheberrechtlich relevanten Vorgang darstellt. Dies ist im übrigen keine allzu neue Erkenntnis, sondern bislang auch im Nicht-EDV-Bereich völlig unbestritten und einhellige Auffassung. Der Bundesgerichtshof hat jedoch die wesentliche Frage, ob im Rahmen der Programmeingabe und -verarbeitung tatsächlich eine urheberrechtliche Vervielfältigungshandlung erforderlich ist und nicht nur urheberrechtlich irrelevante Duplizierungen stattfinden - nicht jede Duplizierung ist auch eine urheberrechtliche Vervielfältigung -, nicht beantwortet. Dem Oberlandesgericht Hamm wurde diese - tatsächliche - Frage zur Klärung aufgegeben. Wegen der Bedeutung dieser Problematik darf das neue Urteil des Oberlandesgerichts Hamm mit Spannung erwartet werden.

Literatur/Rechtsprechungsnachweise:

[1] Dr. M.Michael König, 'Fragwürdige Forderungen', c't 2/1991, S.60
[2] Marcellus Buchheit, F.A.Z. Nr.60 v.12.3.1991, S.B34 - CEBIT-Beilage
[3] Bundesgerichtshof, Urteil "Betriebssystem" vom 4.10.1990, Aktenzeichen I ZR 139/89, nachzulesen in jur-PC 1/1991, S.888
[4] Bundesgerichtshof, Urteil "Inkasso-Programm" vom 9.5.1985, Aktenzeichen I ZR 52/83, nachzulesen in NJW 1986, S.192
[5] Dr. Otto-Friedrich Freiherr von Gamm, 'Der urheber- und wettbewerbsrechtliche Schutz von Rechenprogrammen', WRP 1969, S.96
[6] Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 27.4.1989, Aktenzeichen 4 U 196/86, nachzulesen in Computer und Recht 1989, S.592
[7] Dr. M. Michael König, Das Computerprogramm im Recht, 1991, Rdnr.479ff

Dieser Beitrag ist in bearbeiteter Form in c´t 3/1992 S.68 erschienen. Er gibt die Rechtslage und Meinung des Verfassers zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung der weiteren Veröffentlichung.

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